Vom passiven RC- zum passiven
RCD-Hochpassfilter/Differenzierer


Diode im Filter...

Was unter einem passiven RCD-Hochpassfilter bzw. passiven RCD-Differenzierer zu verstehen ist, illustriert Teilbild 1.2 in Bild 1:

Es fragt sich bloss, wozu man so etwas Kurioses wie ein RCD-Differenzierer überhaupt brauchen kann, schliesslich findet man dies kaum in der Fachliteratur. Die Situation ist einfach die, dass ich so etwas in einer praktischen Anwendung brauchte und darum befindet sich dies ist jetzt in diesem Elektronik-Minikurs. Es ist vorstellbar, dass es noch andere Anwendungen gibt und wenn ich dafür eine Reaktion per E-Mail erhalte, wäre ich darüber sehr erfreut und ich werde, wenn erlaubt, daraus gerne einen Leserbrief in diesen Elektronik-Minikurs einbinden und selbstverständlich mit Nennung des Autors. Mein Briefkasten findet man unten links auf der Indexseite.

Was genau zeigt Bild 1? Teilbild 1.1 zeigt den ganz normalen passiven Differenzierer der an Ue eine steilflankige Rechteckspannung mit einer Spannung Up (p = pulse) erhält. Mit der ansteigenden Flanke wird C über R geladen. Weil zu Beginn die Spannung über C noch 0 V berägt, liegt über R die volle Impulsspannung Up. Die Rechteckspannung ist hier zeitsymmetrisch (Tastverhältnis = 0.5) und die Periode ist wesentlich länger als die Zeitkonstante des RC-Differenzierers. Daher wird C praktisch auf den Wert von Up geladen, wäehrend analog zu diesem Ladevorgang die Spannung an R, bzw. an Ua abnimmt und sich dem Wert von 0 V (GND-Pegel) nähert. Die fallende Flanke der Rechteckspannung, schliesst Ue mit GND über den Innenwiderstand des Impulsgenerators praktisch kurz. Dies bewirkt, dass C sich über R entlädt. Im ersten Augenblick hat Ua die Spannung des geladenen Kondensators C. An Ua zeigt sich direkt die Entladekurve von C über R, natürlich mit negativen Spannungswerten. Im theoretischen Endzustand hat Ua wiederum den Wert von 0 V. Die positiven und negativen Imuplse an Ua sind amplitudensymmetrisch.

In Teilbild 1.2 pfuscht die Diode D kräftig rein. Bei der ansteigenden Flanke der Rechteckspannung bleibt noch alles gleich wie zuvor, D bleibt unbeteiligt, weil sie noch im Sperrbereich arbeitet. Das ändert sich aber sofort, wenn eingangsseitig die Spannungsflanke fällt. Dann ist C mit R und D parallel geschaltet. Da die Diode D im leitenden Zustand ist, entlädt sich C blitzartig über D. Theoretisch ändert sich Ua nicht. Man sieht es am kleinen negativen "Höcker", dass sich aber trotzdem etwas tut. Dies kommt davon, dass weder der Diodeninnenwiderstand noch der Innenwiderstand der Impulsquelle ideal 0 Ohm hat. Man erkennt aber noch etwas anderes: Die negative Spannung an Ua wird nicht sofort 0 V. Dies kommt davon, dass die Siliziumdiode unterhalb etwa 600 mV und die Germaniumdiode unterhalb etwa 200 mV nicht mehr leitet und C seine restliche Spannung über R entladen muss und dies geht wesentlich langsamer.



Was geschieht bei höheren Frequenzen der Rechteckspannung?

Wenn die Frequenz der Rechteckspannung wesentlich höher bzw. dessen Periode wesentlich niedriger ist als die Zeitkonstante des RC-Differenzierers, kann sich C nicht mehr auf die volle Spannung von Up aufladen, aber ebenfalls auch nicht mehr vollständig entladen. Teilbild 2.2 illustriert dies anschaulich mit dem Diagramm Uc. Die Folge davon ist, dass sich über C eine mittlere Spannung des halben Wertes von Up einstellt, vorausgesetzt allerdings, dass das t/T-Tastverhältnis der Rechteckspannung am Eingang exakt 0.5 beträgt. Ist t/T kleiner, ist die mittlere Spannung über C ebenso kleiner und umgekehrt. Weil die Zeitkonstante R*C im Verhältnis zur Taktperiode T endlich ist, gibt es eine auf Up/2 überlagerte Rippelspannung Ur. Ur ist aber umso kleiner, je kleiner T im Verhältnis zu R*C ist. Beachte die Impulsdiagramme in Teilbild 2.2 von oben nach unten und man erkennt woraus sich die Rppelspannung zusammensetzt.

Bild 3 zeigt wie sich C auf Ub/2 bei t/T = 0.5 auflädt. Teilbild 3.1 zeigt noch einmal den Differenzierer. Interessiert die Ausgangsspannung von C, geht es in Wirklichkeit nicht um den Differenzierer, sondern um einen Integrator, ein RC-Integrator. Man erkennt es besser wenn man ihn so umzeichnet, wie er sich in Teilbild 3.2 zeigt. Man folge einfach den punktierten Linien mit den Pfeilen.

Startet man am Eingang mit einer zeitsymmetrischen Rechteckspannung, erkennt man in Teilbild 3.3, dass die Ladung von C nach der steigenden Flanke anfänglich steiler erfolgt, als die Entladung nach der fallenden Flanke. Dies kommt daher: Wenn der Eingang auf Up liegt, liegt über R eine höhere Spannung als wenn der Eingang danach auf GND-Pegel liegt. Das heisst nichts anderes, dass der Ladestrom höher ist als der Entladestrom. Erst dann wenn sich die mittelere Spannung über C auf den halben Wert von Up angenähert hat, ist der Lade- und Entladestrom gleich gross. Dies zeigt sich im symmetrischen Abbild der Lade- und Endladeteilkurve.

Teilbild 4.2 unterscheidet sich von Teilbild 4.1 (Teilbild 2.2) in der noch geringeren Periode bzw. noch höheren Frequenz der Rechteckspannung an Ue. C hat kaum noch Zeit etwas ge- und entladen zu werden. Bei geringer optischer Auflösung (Oszilloskop) zeigt sich die Spannung über C als rippelfreie DC-Spannung. Daraus folgt, dass an Ua praktisch die selbe Signalform der Rechtspannung von Ue erscheint, allerdings um den GND-Pegel spannungssysmmetriert, weil Up/2 an C abfällt, wie dies in Bild 3 dokumentiert ist. In den nächsten Kapiteln folgt die Erweiterung zum RCD-Differenzierer, der einiges verändern wird...



Der RCD-Differenzierer und seine Wirkung

Das Teilbild 5.1 zeigt einen Ausschnitt von Teilbild 3.3. Teilbild 5.1 zeigt zusätzlich zum Spannungsdiagramm an Uc mit der Integratorwirkung auch das Spannungsdiagramm Ua, die Differenziererfunktion.

Die zum Widerstand R parallel geschaltete Diode D, sorgt, wie es weiter oben in Teilbild 1.2 angedeutet wird, dafür, dass die Ladung von C über R relativ langsam und die Entladung über D schlagartig erfolgt, weil D im leitenden Zustand stets sehr niederohmig ist. D verhindert also, dass sich C während vieler Perioden, wie Teilbild 3.3 illustriert, aufladen kann, wie hier das Diagramm Uc verdeutlicht. Kaum hat die Ladung begonnen, wird sie wieder brutal vernichtet. Die mittlere Spannung an C liegt etwa bei einem Viertel von dessen Rippelspannung. Man muss also bei einer solchen Schaltung auch daran denken, dass eine Diode den Entladespitzenstrom aushalten muss. Bei Kleinsignalanwendungen, womit wir es hier zu tun haben, besteht dieses Problem allerdings kaum, weil schon die Rechtecksignalquelle keinen beliebig niedrigen Innenwiderstand hat. Dioden wie 1N914 (Silizium) oder 1N270 (Germanium) eignen sich dafür sehr gut. Warum ich Silizium- und Germaniumdioden erwähne, hat einen Grund der nachfolgend Bild 6 illustriert:

Die Diagramme in Bild 6 gleichen Teilbild 4.2 in dem Sinne, dass die Kurvenformen der Rechteckspannungen an Ua genauso unverzerrt sind, weil der Kondensator C, bei der zur RC-Zeitkonstante sehr kleinen Signalperiode, sich kaum noch laden und entladen kann. Während bei Teilbild 4.2 die Rechteckspannung an Ua spannungssymmetrisch um den GND-Pegel liegt, liegt in den Diagrammen in Bild 6 an Ua der Minimalwert der Rechteckspannung fast ebenso wie Ue auf dem GND-Pegel. Das sieht so aus, als ob gar kein RC-Differenzierer vorhanden ist. Wozu er dennoch gut sein soll, werden wir weiter unten noch sehen.

In Teilbild 6.1 liegt dieser Minimalwert exakt auf dem GND-Pegel. Die Rechteckspannung an Ua entspricht exakt der Rechteckspannung an Ue. Dies wäre dann der Fall, wenn der Rechteckgenerator einen Quellwiderstand von 0 Ohm hätte. Die Diode müsste im Durchflussbereich ebenfalls 0 Ohm haben und sie darf keine Schwellen-Diodenflussspannung haben.

Teilbild 6.2 illustriert die Realität mit einer Germanium- (z.B. 1N270) und Teilbild 6.3 mit einer Siliziumdiode. Da C auf die Schnelle nur bis zum Wert der Diodenflussspannung entladen werden kann, liegt der Minimalwert der Rechteckspannung im negativen Spannungsbereich. Der Betrag dieser negativen Spannung entspricht exakt der Diodenflussspannung. Bei einer Germaniumdiode sind dies etwa 0.2 V und bei einer Siliziumdiode 0.6 V. Schottky-Silizium-Dioden - es gibt kleine Signaldioden wie BAT45 - haben eine ebenso geringe Diodenflussspannung wie Germaniumdioden, aber sie schalten schneller und ertragen grössere Spitzenströme.



Beispiel einer Anwendung: Akustisches EMG-Biofeedback

Angenommen man will mit einem spannungsgesteuerten Oszillator (VCO) mit Rechteckausgangsspannung eine Frequenz zwischen 0 Hz und einer definierten Maximalfrequenz, analog zu einer Eingangsspannung zwischen 0 V und einer definierten Maximalspannung, realisieren, so hat man man bei 0 Hz die Situation, dass der Ausgangspegel des VCO zufällig den logischen LOW- oder HIGH-Pegel annehmen kann. Dies hat den Nachteil, dass im Falle des HIGH-Pegels, der für den Lautsprecher stromverstärkte HIGH-Pegel ständig einen nutzlosen Strom fliessen lässt. Besonders bei Batterieanwendungen ist dies äusserst ungeeignet, weil dies die Batterielebensdauer unnötig reduziert.

Teilbild 7.1 zeigt eine für solche Zwecke geeignete VCO-Schaltung mit sehr geringem Bauteilaufwand. Der VCO ist Teil des CMOS-PLL-IC CD4046 (Motorola) oder MC14046 (National-Semiconductor). Teilbild 7.2 zeigt das Diagramm der VCO-Frequenz als Funktion der Eingangsspannung. Wesentlich mehr zu dieser Schaltung liest man in Ein spannungsgesteuerter Oszillator (VCO) mit dem CD4046B/MC14046B. Es stellt sich die Frage was der praktische Sinn einer solchen VCO-Schaltung sein kann. Es kann z.B. irgendetwas sein, das einem akustischen Feedback dient.

Im Falle einer EMG-Biofeedback-Anwendung, steuert die verstärkte, gleichgerichtete und integrierte EMG-Spannung, als DC-Spannung, den VCO und dieser erzeugt für den Probanden über einen Lautsprecher das akustische Signal, dessen Frequenz ein Mass für die EMG-Spannung ist, die ursächlich von den Aktionspotenzialen der Muskelfasern erzeugt und mittels Elektroden an der Hautoberfläche abgeleitet werden. In Bild 8 zeigt Maki, das lustige lemurische Halbäffchen aus Madaskar, wie EMG-Biofeedback grundsätzlich funktioniert. EMG heisst Elektromyographie und Myo heisst Muskel.



Verstärkerschaltung mit Power-MOS-Feldeffekt-Transistor

Wie bereits angedeutet, muss das VCO-Signal für die akustische Wiedergabe mittels Lausprecher stromverstärkt werden. Da die VCO-Spannung gross genug ist und daher nur der Strom und nicht die Spannung verstärkt werden muss, eignet sich hierfür der typische Spannungsfolger. Diesen kann man entweder mit einem Darlingtontransistor oder mit einem Power-MOSFET realisieren. Bild 9 illustriert die Version mit dem Power-MOSFET BS170.

C1, R2 und D1 bilden den RCD-Differenzierer und er arbeitet wie oben bereits beschrieben. Wenn die Rechteckspannung vom VCO unterbleibt, kann dessen Ausgangspegel mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % auf dem HIGH-Pegel, hier im Beispiel etwa 6 V, hängenbleiben. C1 ladet sich dabei über R2 auf, das Gate des BS170 bleibt spannungs- und der Lautsprecher im Sourcekreis des BS170 stromlos. C1 und R2 müssen so dimensioniert sein, dass sich schon bei niedrigen Frequenzen, am Gate eine nur geringfügig verzerrte Rechteckspannung einstellt. Wobei allzu kritisch ist das nicht, weil ein Power-MOSFET eine bestimmte Gate-Source-Schwellenspannung besitzt, wie Bild 10 illustriert:

Wenn eine geringe Verzerrung des HIGH-Pegels, wie in Teilbild 2.2 das mittlere Diagramm zeigt, sich eindeutig oberhalb der Gate-Source-Schwellenspannung abspielt, wirkt sich dies auf den Lautsprecherstrom nicht signifikant aus. Eine R2C1-Zeitkonstante (Bild 9) von maximal 100 ms reichen dafür auf jeden Fall aus.

Jetzt noch einmal zurück zu Bild 9. Der Power-MOSFET BS170 arbeitet als Spannungsfolger, wobei die Rechteckspannung zwischen seinem Source-Anschluss und GND etwa um die Gate-Source-Schwellenspannung des BS170 geringer ist. Bild 10 zeigt im Diagramm , dass ein vernünftiger Stromfluss erst ab einer Gate-Source-Spannung oberhalb von etwa 3 V möglich ist. Wenn die Schaltung nun nur mit 6 VDC betrieben wird, hätte der positive Teil der Rechteckspannung, bei Verwendung nur eines RC-Differenzierers, am Gate des BS170 maximal 3 V und das ist zuwenig. Die Diode D1 drückt, wie wir jetzt wissen, die Rechteckspannung nach oben, so dass die Spannung des HIGH-Pegels für das Gate des BS170 hoch genug ist. Wir wissen jetzt auch, warum sich hier eine Germanium- oder Schottkydiode besser eignet als eine Siliziumdiode.

Dem aufmerksamen Leser fällt auf, dass Potmeter P zur Lautstärkeeinstellung in Serie mit R1 einen zusätzlichen Widerstand enthält und er fragt sich vielleicht, was der Sinn denn sein soll, dass man P nicht auf den GND-Pegel herunterfahren kann. Tatsache ist, dass man mit P1 beim linken Anschlag von P auf Lautstärke = Null einstellen kann. Ich überlasse es dem Leser herauszufinden warum dies so ist, bzw. wozu es R1 in Serie zu P benötigt. Ein kleiner Tipp: Die Lösung des Rätsels liegt im Diagramm von Bild 10 begründet. Ich wünsche allseits Gut-Hirnkoch. :-)

So, nun ist die Katze aus dem Sack und wir wissen wozu man eine RCD-Differenzierschaltung sinnvoll einsetzen kann. Zum Schluss sei noch bemerkt, wenn das RCD-Prinzip beim Lesen nicht ganz klar wurde, gilt jetzt: Probieren geht über studieren. Ein Sprichwort das aber längst nicht immer seine Gültigkeit hat...