Elektronikgeschichte:
Kaltkathoden-Röhre I
Eine kurze Einführung
Auf vielseitigen Wunsch der Leserschaft verfasste ich hiermit einen
speziellen Elektronik-Minikurs der etwas die Geschichte der Elektronik
beleuchtet. Viele der älteren Leser werden noch wissen, was die
sogenannten Radioröhren sind, die Vakuumröhren welche früher im
romantisch rot-orangen Licht schön vor sich hin glimmten. Es erfreute
damals jedes Elektronikerherz in das Innenleben eines Radios zu blicken.
Diese Röhren lassen von der Kathode zur Anode einen Elektronenstrom
fliessen, sofern die Kathode mit ihrer Bariumoxydschicht so stark
erhitzt wird, dass eine Elektronenwolke entsteht. Gesteuert wird dieser
Anodenstrom durch eine negative Spannung zwischen Steuergitter und
Kathode, das zwischen der Anode und Kathode liegt.
Wegen diesen drei Elektroden nennt man diese Vakuumröhre Triode. Es gibt
auch noch solche mit zusätzlichem Schirm- und Bremsgitter. Diese
Vakuumröhren nennt man Pentoden. Doch darauf wollen wir uns nicht weiter
einlassen, denn wir befassen uns hier mit einer andern Sorte von
"Elektronenröhren", - mit den sogenannten Kaltkathodenröhren. Genau
genommen sind es allerdings Ionen- und nicht Elektronenröhren. Es begann
gemäss Cerberus-Chronik im Jahre 1948 mit der ersten
Kaltkathoden-Relaisröhre des Typs
G8
für die direkte Speisung mit 220VAC-Wechselspannung. Die
Weiterentwicklung
GR16
und GR17 war sehr beliebt und weit verbreitet
(Bildquelle: tubecollection.de).
Die zwei Vertreter der Kaltkathoden-Röhren
Beiden Vertretern ist gemeinsam, dass sie ein leicht ionisierbares Gas
enthalten. Es gibt die sogenannten Kaltkathoden-Relaisröhren (Bild 1.1)
mit einer Anode (A), einer Kathode (K) und einer Starterelektrode (St).
Zwischen Anode und Kathode liegt eine hohe Betriebspannung im Bereich
von etwa 250 bis 350 V. Die kleine Starterelektrode liegt nahe bei der
Kathode. Die Zündspannung zwischen dieser Starterelektrode und der
Kathode hat eine gute Reproduzierbarkeit während der gesamten
Lebensdauer von 1% und liegt mit etwa 150 VDC deutlich unter der
Anoden-Kathoden-Betriebsspannung. Die Anoden-Kathode-Zündspannung liegt
bei minimal 400 V. Diese hohe Zündspannung erlaubt diese
Kaltkathoden-Relaisröhren direkt an der Netzspannung zu betreiben. Wenn
die Zündspannung zwischen Starter und Kathode überschritten wird, zündet
ebenso die Anoden-Kathoden-Strecke, womit ein Relais eingeschaltet
werden kann, wenn es im Anoden- oder Kathodenkreis liegt.
Ganz anders arbeitet die die Kaltkathoden-Röhre nach Bild 1.2. Dies ist
ein sogenanntes Thyratron. Das Thyratron hat ein Steuergitter, ähnlich
wie bei der Vakuumröhre, z.B. die Triode. Während bei der Triode eine
negative Gitterspannung den Anodenstrom gesteuert, steuert die
Gitterspannung des Thyratrons die Zündspannung zwischen Anode und
Kathode. Dieses Kaltkathoden-Thyratron, das man auch Glimm-Thyratron
nennt und der vermutlich bekannteste Vetreter der Typ GT21 von Cerberus
ist, wird hier nicht weiter thematisiert, - jedoch vielleicht später in
einem weiteren Historien-Elektronik-Minikurs.
Kaltkathoden-Relaisröhren, Thyratrons und bei den Halbleitern die
Thyristoren haben eine Gemeinsamkeit: Einmal gezündet, können sie nur
noch durch Stromunterbruch ausgeschaltet werden, was im
Wechselstrombetrieb, wegen dem Phasen-Nulldurchgang, kein Problem ist.
Die Glimmlampe
Bevor wir uns der Kaltkathoden-Relaisröhre widmen, wollen wir uns kurz dem zuwenden das jeder Berufsmann und jede Berufsfrau der Elektrotechnikbranche noch heute kennt. Es ist die Glimmlampe. In grossen Schaltanlagen werden sie noch heute zur optischen Anzeige eingesetzt und man kennt sie in den sogenannten Phasenprüfern. Das sind kleine Schraubenzieher mit einer zylindrischen kleinen Glimmlampe und einem Seriewiderstand zur lebensnotwendigen Strombegrenzung, wie das kleine Foto oben links illustriert. Die Glimmlampe selbst enthält Neon als ionisierbares Gas. Wenn der Strom nur schon im 10-Mikroamperebereich fliesst, leuchtet das Gas an den Grenzschichten zu den Elektroden sichtbar auf. Es leuchtet immer nur die negative Elektrode. Die Ionen sind positiv geladen. Durch das elektrische Feld werden sie in Richtung negativer Elektrode beschleunigt und dort spontan abgebremst. Dadurch werden örtlich Elektronen des ionisierten Neongases in eine höhere Umlaufbahn gehoben und bei deren Rückfall in die "richtige" Bahn, werden Photonen ausgesendet. Ihre Energie, bzw. Wellenlänge der Strahlung, liegt etwa im orangen Bereich des sichtbaren Lichtes. Wird eine Glimmlampe mit Gleichsstrom betrieben, leuchtet stets nur die eine negative Elektrode. Bei Wechselstrom sieht man beide Elektroden alternierend leuchten, so bei der Anwendung des Phasenprüfers, der uns in den Bildern 2 und 3 Maki, das lustige lemurische Halbäffchen aus Madagaskar, vorführt:
Bild 2 zeigt schematisch wie Maki mit dem Phasenprüfer-Schraubenzieher testet, ob an einem Netzspannungsanschluss die Phase R, S oder T Spannung führt. Wenn die Glimmlampe leuchtet, ist dies der Fall. Der sehr geringe Wechselstromfluss, der hier durch die elektrische Kapazität von Maki mit der Umgebung und dem isolierenden Boden (hier Kunststoff) zustande kommt, reicht, dass die Glimmlampe schwach leuchtet. Symbolisch wird dies mit den vielen Kondensatoren und kleinen Strompfeilen um Maki herum angedeutet. Bei der Prüfung hoher Gleichspannungen funktioniert diese Methode natürlich nicht! Dazu wäre Erdkontakt nötig, wie dies nachfolgend Bild 3 illustriert.
Hier kontaktiert Maki mit einem Fuss eine leitende Bodenfläche. Dies
könnte z.B. ein Stahlbetonboden sein. Ohne den
Strombegrenzungswiderstand R, der meist einen Wert um die 500 k-Ohm hat,
wäre ein Erdkontakt, wegen dem zu hohen Stromfluss durch die Herzgegend,
sogar lebensgefährlich.
Die Zündspannung einer Glimmlampe liegt bei etwa 150 V und die
Brennspannung bei etwa 90 V. Diese Spannung bleibt einigermassen
konstant. Gäbe es nicht diesen Begrenzungswiderstand im Phasenprüfer,
würde alleine der Körper einer Person als Begrenzungswiderstand wirken und
dieser Wert kann leicht nur 10 k-Ohm oder sogar weniger sein. Bei einem
restlichen Spannungsabfall von etwa 140 V über diesem menschlichen
Innenwiderstand resultiert ein Strom von 14 mA oder mehr. Durch den
Begrenzungswiderstand von 500 k-Ohm, wird der Strom auf weniger als 0.3
mA begrenzt. Bei sanfter Berührung der Kontaktstelle mit dem Finger,
spürt man aber bereits ein feines Elektrisieren.
Wir wissen nun, dass eine Glimmlampe eine höhere Zünd- und eine
niedrigere Brennspannung hat, wobei diese eine gewisse Stabilität
aufweist, bzw. unabhängig von der Stromstärke ist. Wir befassen uns im
übernächsten Kapitel "Die Stabilisatorröhre" mit dem Prinzip der
Glimmlampe, wie sie früher in der elektronischen Schaltungstechnik als
Spannungsstabilisator angewendet wurde.
Die Kipp-, bzw. Blinkschaltung
Wir wissen jetzt, die Glimmlampe hat eine niedrigere Brennspannung als
Zündspannung. Dies gilt ebenso bei allen Gasentladungslampen, auch bei
Quecksilberdampf- (blau leuchtend) und bei Natriumdampflampen (orange
leuchtend), wie sie bei Strassenbeleuchtungen verwendet werden. Darum
können diese Lampen stets nur mit Strombegrenzungswiderständen betrieben
werden. In der Wechselstromtechnik verwendet man induktive
Begrenzungswiderstände, da diese wegen der
Spannungs-/Stromphasenverschiebung relativ wenig Verlustleistung und
Wärme erzeugen. Jedoch bei kleinen Glimmlampen, wie sie zur
Signalisation zum Teil noch heute in grossen Schalttafeln verwendet
werden, genügen kleine Begrenzungswiderstände, wie wir dies in den
Bildern 2 und 3 gesehen haben.
Solche Glimmlampen kann man allerdings auch blinken lassen mit nur wenig
Bauteilen. Wie dies funktioniert zeigt Bild 4:
Die Glimmlampe GL ist Teil eines Sägezahnoszillators. Dies funktioniert
allerdings nur weil die Brennspannung von GL niedriger ist als die
Zündspannung. Diode D1 gleichrichtet. Sie lässt nur positive Halbwellen
passieren. Mit jeder postiven Halbwelle wird C über R1 um einen gewissen
Betrag weiter geladen. Während der negativen Halbwelle sperrt die Diode
und die erreichte Spannung an C bleibt weitgehend erhalten. Die nächste
positive Halbwelle setzt die Ladung von C fort. Ist an C die
Zündspannung von GL erreicht, schaltet sie ein und es fliesst ein kurzer
Stromimpuls von C über R2 und GL. GL blitzt dabei kurz auf. C entladet
sich sehr schnell. Diese R2C-Zeitkonstante ist sehr gering. Darum das
kurze Aufblitzen von GL. Wichtig bei dieser Schaltung ist, dass R1 so
gross ist, dass mit der Entladung C der minimale Brennstrom
unterschritten wird, so dass das Glimmen erlischt und GL für eine
nächste Zündung, wenn C über R1 auf die Zündspannung geladen ist, bereit
steht.
Beim vorliegenden Dimensionierungsbereich von R1, R2 und C ist die
Blinkschaltung mit einer Blinkfrequenz einsetzbar zwischen 0.1 Hz und 10
Hz. Die Blinkdauer hat einen Wert zwischen 0.2 ms und 20 ms, je nach
Grösse von C und R2. An den Anschlüssen der Glimmlampe kann man eine
Sägezahnspannung entnehmen. Wichtig ist noch zu wissen, dass diese
Blinkschaltung nur funktioniert, wenn eine Glimmlampe ohne integrierten
Vorwiderstand verwendet wird. Die modernere Äquivalenzschaltung mit
einem Halbleiter anstelle einer Glimmlampe wäre das Triac-Zündelement
Diac. Allerdings leuchtet das Diac nicht. Man müsste eine LED in Serie
schalten.
Die Stabilisatorröhre
Stabilisatorröhren, auch als Stabiloröhren bezeichnet, sind auf besonders gute Spannungsstabilität getrimmte Glimmlampen. Entscheidend dafür sind im Verhältnis zum Strom relativ grosse Elektrodenflächen. In der Elektronik benötigte man stabile hohe Spannungen z.B. zur Speisung von präzis arbeitenden Schaltungen zur Steuerung der Startereingänge von Kaltkathoden-Relaisröhren. Für präzise Zeitsteuerungen oder Taktgeneratoren sind diese Schaltungen RC-Netzwerke, zur genauen Lichtüberwachung LDR-R-Netzwerke und zur genauen Temperaturüberwachung NTC-R-Netzwerke. Wir wollen nun betrachten wie eine solche Stabilisatorschaltung damals realisiert wurde.
Man betrachte Bild 5.1 und man denke sich anstelle der Stabiloröhre eine
Zener-Diode. Beide Bauteile stabilisieren eine veränderliche
Eingangsspannung Ue an Uref. Es gibt allerdings signifikante
Unterschiede:
Wenn man Ue bei einer Z-Diode hochfährt, gibt es eine kritische Spannung
bei der die Z-Diode zu leiten beginnt. Erhöht man Ue weiter, so steigt
der Z-Strom zunächst überproportional an. Ohne Begrenzungswiderstand R1
würde die Z-Diode wegen Überlastung schnell zerstört. R1 verhindert dies
und sorgt dafür, dass sich der Z-Strom etwa linear ändert wenn Ue sich
weit oberhalb der Z-Spannung ändert, weil sich dann bloss noch die
Spannung über R1 signifikant ändert. Die Z-Spannung bleibt schliesslich
konstant.
Wenn man Ue bei einer Stabiloröhre hochfährt, gibt es eine kritische
Spannung bei der sie zündet (Zündspannung) und damit fällt die Spannung
Uref sprungartig auf einen niedrigeren Spannungswert (Brennspannung).
Innerhalb eines erlaubten Strombereiches, - beim Typ SR44 von Cerberus
sind es 3 bis 5 mA -, ergibt sich eine einigermassen konstante Spannung
Uref. Dies also bei 4 mA ±25%, oder bei einem Eigangsspannungsbereich
von 233 VDC bis 388 VDC. Wenn dieser DC-Spannungsbereich eine
gleichgerichtete geglättete Wechselspannung ist, hat diese einen Bereich
von 165 VAC bis 275 VAC. Dies entspricht im Mittel der
220VAC-Netzspannung, die heute 230 VAC hat. Als die
Spannungsregeltechnik in der Elektronik Einzug hielt und preiswert
wurde, wurde auch der Einsatz von niedrigeren Referenzspannungen
möglich. Dies war bald das Aus für die Stabiloröhren.
Es gibt noch einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen Z-Diode und
Stabiloröhre. Wenn der Z-Strom sehr niedrig ist, ist der dynamische
Innenwiderstand relativ hoch. Dies bedeutet, dass bei einer
Stromänderung, oder Spannungsänderung vor dem Vorwiderstand, auch die
Z-Spannunungsänderung grösser ist, als nötig wäre. Bei einem Z-Strom
im mittleren Strombereich, bei der die Verlustleistung die Z-Diode
noch nicht signifikant aufheizt, verhält sich die Z-Diode am
stabilsten. Bei einer
Bandgap-Referenzdiode
ist dies ebenso, allerdings mit einem viel niedrigeren dynamischen
Innenwiderstand. Ganz anders bei der Stabiloröhre. Die hier erwähnte
SR44 von Cerberus hat ihre stabilste Spannung zwischen nahezu 0 mA und
etwa 2.2 mA. Dies ist aber ein verbotener Arbeitsbereich. Zu niedrige
Betriebsspannung schadet einer Kaltkathodenröhre. Warum, weiss ich nicht
(mehr). Wer es weiss, möge mir eine E-Mail dazu schreiben. Der erlaubte
Arbeitsbereich bei einer SR44 liegt zwischen 3 mA und 5 mA. Allerdings
ändert sich ihre Brenn- bzw. Referenzspannung innerhalb dieses
Strombereiches zwischen typisch 85.5 VDC und 87.7 VDC. Dies entspricht
einem Innenwiderstand von 600 Ohm. War man damals mit dieser Stabilität
nicht zufrieden, musste man erst eine Kaskade mit zwei Stabiloröhren
(Bild 5.2) mit doppelter Brenn-, bzw. Referenzspannung realisieren. Mit
dieser Spannung steuerte man die Schaltung wie Bild 5.1 zeigt. Damit
erreichte man eine topstabile Referenzspannung.
Wie die Referenzspannungskaskade mit zwei (Bild 5.2) oder aber auch mit
mehreren Stabiloröhren funktioniert, ist schnell erklärt. Ue muss höher
sein als die Summe der beiden oder mehrerer in Serie geschalteter
Stabiloröhren mit ihren Brennspannungen. Der kritische Betrachter dieser
Kaskadenschaltung stellt sich aber sofort die Frage: Können denn diese
beiden Stabiloröhren in Bild 5.2 überhaupt sicher zünden bei Ue = 310
VDC, wenn die Summe der beiden Zündspannungen bei etwa 300 V oder gar
darüber liegen? Nein, natürlich nicht. Aber da hilft R2 der V1
überbrückt. Beim Einschalten sind beide Stabiloröhren ausgeschaltet und
daher extrem hochohmig. Also dominiert bei V1 der parallelgeschaltete
hochohmige Widerstand R2 und die ganze Eingangsspannung liegt zunächst
über V2. Dadurch kann V2 zünden. Sie schaltet sofort auf ihre
Brennspannung. Damit liegt jetzt die Eingangsspannung minus der
Brennspannung von V2 über V1 und diese Spannung ist hoch genug um in
diesem zweiten Schritt V1 zu zünden.
Eine Schaltung aus Stabilo- und Kaltkathoden-Relaisröhre
Diese Schaltung baute ich mir damals anfangs der 60er-Jahre als ich
einen guten Timer für meinen Foto-Vergrösserungs-/Belichtungs-Timer
haben wollte. Da ich damals in meiner Lehrausbildung die
Kaltkathodenröhrentechnik ausgiebig kennenlernte, war dies ein gutes
Lehrstück. Ich habe diese Schaltung nicht mehr, also musste ich sie aus
der Erinnerung rekonstruhieren. Da jedoch kaum jemand in der heutigen
Zeit diese Schaltung nachbauen wird, spielt es auch keine Rolle wenn die
Werte der Bauteile nicht exakt stimmen. Die Grössenordnungen stimmen auf
jedenfall. Doch nun zu den Details.
Wird die Schaltung mit S1 in Betrieb gesetzt, leuchtet die
Projektionslampe sogleich, weil sie durch den Relaisruhekontakt k1
gesteuert wird und das Relais nicht eingeschaltet ist. Durch Drücken auf
die RESET-Taste DT1 wird C4 (und C5) über R6 schnell bis zur
Starter-Zündspannung von V3 geladen, V3 und Relais K schalten ein, k1
öffnet und die Projektionslampe schaltet aus. Mit dem Einschalten des
Relais K zieht auch der Arbeitskontakt k2 an und entladet C4 (und C5)
sofort über R5. Solange Relais K eingeschaltet ist, bleibt die
Projektionslampe dunkel und C4 (und C5) bleibt entladen. Drückt man die
TIMER-START-Taste DT2 schliesst der Ruhekontakt k1. Der Stromfluss durch
Relais K und V3 unterbricht und dieser Unterbruch bleibt beim Loslassen
von DT2, weil V3 erst wieder gezündet werden muss, bestehen. Der
Arbeitskontakt k2 ist offen. C4 (und C5) ladet sich aus der stabilen
Spannung aus V1 und V2 über R4 und P, bis die Starterzündspannung
erreicht ist. Während dieser Zeit leuchtet die Projektionslampe und
belichtet das lichtempfindliche Fotopapier. Mit der Zündung von V3 zieht
das Relais K an, k1 öffnet, die Projektionslampe erlischt und k2
schliesst um die Wiederaufladung von C4 (und C5) solange zu verhindern
bis erneut die TIMER-START-Taste DT1 gedrückt wird und das Ganze von
vorne beginnt.
D1 war damals eine beliebte hochspannungssperrende Gleichrichterdiode.
Sie sperrt 800 V, erlaubt aber nur einen maximalen Dauerstrom von 25 mA.
Wenn man vergleicht: Schon seit mindestens 25 Jahren gibt es die kleine
1N4007-Gleichrichterdiode, die eine Spannung von 1000 V aushält und
einen Dauerstrom von 1 A zulässt. R1 erfüllt zwei Aufgaben. Einerseits
dämpft er den Einschaltstromstoss beim Laden des Elko C2 und anderseits
filtert das passive Tiefpassfilter aus R1 und C1 höherfrequente
Überspannungsspitzen, welche der Gleichrichterdiode D1 gefährlich werden
könnten.
Elektronischer Dämmerungsschalter von damals...
Dies ist eine Wechselspannungsanwendung. Diese Möglichkeit machte die
Kaltkathoden-Relaisröhre besonders anwenderfreundlich, denn nur wenn die
Starterspannung bei jeder positiven Halbwelle grösser ist die
Starter-Zündspannung, schaltet die Kaltkathoden-Relaisröhre ein und
sonst eben nicht. Die Kaltkathoden-Relaisröhre hat eine
Gleichrichterwirkung. Vor jedem darauffolgenden Spannungsnulldurchgang
wird die Brennspannung unterschritten und ohne Starter-Zündspannung in
der nächsten positiven Halbwelle schaltet die Kaltkathoden-Relaisröhre
nicht ein. Dies machte sie damals besonders interessant regeltechnische
Aufgaben.
Wenn der Photowiderstand unbeleuchtet und hochohmig ist, wird die
Starterspannung so hoch, dass die Starter-Kathodenstrecke und somit V
(GR16 von Cerberus) zündet und das Relais und damit die Lampe L
einschaltet. Ist die Umgebung noch hell genug, ist die Spannung zwischen
Starter und Kathode zu gering um V und K einzuschalten. Die Beleuchtung
bleibt dunkel. Mit P kann man den Dämmerungswert einstellen. Mit R4 wird
eine Verschiebung des Einschaltpunktes vom Ausschaltpunkt ereicht. Diese
Hysterese macht Sinn damit in der Dämmerungsphase das Relais und die
Beleuchtung nicht flattern. Diese Hysterese kommt dadurch zustande, weil
im gezündeten Zustand einer Kaltkathoden-Relaisröhre zwischen einem
offenen Starter und der Kathode eine Spannung von etwa 100 V entsteht.
Diese Spannung wird über R4 dem Spannungsteilerpunkt von P und LDR
gedämpft überlagert. C2 und C3 sind nötig, damit beim Erreichen der
Zündspannung ein dynamisch niedriger Innenwiderstand des Steuerschaltung
vorliegt. Dieser sorgt für einen kurzen ionisationsfähigen
Starterstromimpuls ohne den die Kaltkathoden-Relaisröhre nicht sicher
zünden kann.
Nun haben wir ganz bestimmt auch wieder aufmerksame Leser, welche
stirnrunzelnd das Relais mit dem rechteckigen schwarzen Fleck
betrachten, und sie fragen sich natürlich ob dies ein Zeichnungsfehler
sei oder ob dies etwas bedeutet. Es bedeutet tatsächlich etwas. Man
bedenke, dass das Relais nur gerade die positiven Stromhalbwellen
bekommt. Das Relais würde erbärmlich flattern ohne Massnahme für ein
verzögerndes Abschalten. Dies kann man auf zwei verschiedene Arten
realisieren. Man schaltet parallel zur Relaisspule in Sperrichtung eine
Diode. Durch sie fliesst in der negativen Wechselspannungsphase, also im
ausgeschalteten Zustand von V und K ein Selbstinduktionsstrom. Es gab
damals allerdings auch spezielle Relais mit einer Kurzschlusswicklung.
Diese bestand meist aus einer Windung, nämlich aus einem dicken
Kupferring der auf den Weicheisenkern der Spule aufgepresst wurde. Das
kleine schwarze Rechteck im Symbol der Relaisspule deutet auf diese
Kurzschlusswindung hin.
Besonderheiten
Es gibt aber noch zwei Besonderheit. Es ist der Wandableiter in der Kaltkathoden-Relaisröhre V welcher mit dem Spannungsteiler R2 und R3 verbunden ist. Dieser Wandableiter sorgt dafür, dass bei Wechselstrombetrieb äussere elektrische Felder die Zündspannung nicht beeinflussen. Bei Gleichspannungsanwendungen wird der Wandableiter nicht benutzt. Ein solcher Wandableiter besitzt GR16. Die GR15 hat anstelle des Wandableiters eine Hilfsanode. Ihr Zweck ist die Vorionisierung für Gleichspannungsanwendungen. Dadurch erfolgt der Ionisatonsaufbau schneller und die Strecke Anode-Kathode hat einen geringeren Zündverzug. Durch diesen kleinen Unterschied eignete sich die GR16 besonders für Wechselspannungs- und die GR15 eher für Gleichspannungsanwendungen, wenn hohe Genauigkeit und Reproduzierbarkeit von Zündpannungen bei kurzen Ionisationszeiten erwartet wurden.
Beitrag eines Lesers
Ich habe mich früher selbst ebenfalls mit Kaltkathoden-Röhren
befasst. Mein eigener Kommentar:
Ich befasse mich noch heute damit. Leider erweckt Ihr Bericht den
Eindruck, es handele sich um eine veraltete Technik. Das mag für den
Bereich der Signalverarbeitung gelten, nicht jedoch in den anderen
Anwendungsbereichen wie Leistungselektronik und Beleuchtungstechnik.
Besonders erwähnenswert wären da z.B. die Kaltkathoden-Schaltröhren, die
trotz ihrer winzigen Abmessungen von ca. 9x10 mm einige 100 A
Impulsstrom schalten können. Diese werden, ähnlich einer Blitzröhre, die
schliesslich auch eine immer noch moderne Kaltkathodenröhre ist, über
eine Aussenelektrode per Hochspannungsimpuls gezündet. Ich benutze sie
hauptsächlich zum sehr schnellen Entladen von grossen Kondensatoren.
Ich denke jedenfalls, diese Aspekte sollten in einem Bericht über diese
Röhren nicht unerwähnt bleiben.
Antwort von mir: Da kann ich mich Ihrem Beitrag nur anschliessen
und ich bedanke mich herzlich dafür. Die Erwähnung, dass die
(Foto-)Blitzröhre auch eine Kaltkathodenröhre ist, finde ich sehr gut.
Eigentlich weiss man dies, aber ich denke, kaum jemand denkt daran. Die
folgende Skizze illustriert, wie mittels einer kleinen Schaltröhre des
Typs BD21 von Cerberus und einem Hochspannungs-Trafo ein
Hochspannungsimpuls, im Zeitalter der Kaltkathoden-Elektronik, erzeugt
worden ist. Diese Schaltröhre konnte einen Spitzenstrom von maximal 10 A
schalten. Sie hatte eine Zündspannung von 200 V und eine Bogenspannung
(Brennspannung) von 20 V. Mit diesen Werten eignete sie sich u.a.
vorzüglich für den Einsatz in Weidezaungeräten, falls diese in der Nähe
von Bauernhäusern angebracht worden sind, weil die Schaltung eine
mittelhohe Betriebsspannung benötigte, wie dies in Bild 8 in einem
Anwendungsbeispiel zum Ausdruck kommt:
Der Trenntrafo TR1 war notwendig, damit nicht unabsichtlich die Phase
anstelle des Null-Leiters in den Erdboden gesteckt werden konnte. Damals
betrug die Netzspannung noch für lange Zeit 220 VAC und nicht 230 VAC.
Diode D war damals natürlich noch keine Silizium-, sondern eine
Selen-Gleichrichterdiode. In der Zwischenzeit ist Selen als
hervorragende Nahrungsmittelergänzung wieder in Mode gekommen, wenn es
darum geht, das Krebsrisiko zu reduzieren. Wieder zurück zu Bild 8. Das
RC-Glied dient der Erzeugung der Impulsfolgefrequenz, die beim Weidezaun
bei etwa 0.3 Hz typisch ist. Hat die DC-Spannung über dem Kondensator
die Zündspannung der Schaltröhre erreicht, zündet diese und ein hoher
Stromimpuls durchfliesst die Primärspule. Die Selbstinduktionsspannung
an der Primärspule multipliziert sich mit dem Übersetzungsverhältnis.
So werden sekundär Spannungsimpulse mit sehr hohen Spannungen erzeugt,
ähnlich wie bei einer Autozündspule, die eigentlich ebenso ein Trafo
ist.
Aus einer alten Hauszeitschrift der Firma Cerberus vom März 1960
entnehme ich, dass es neben vielen Produkten die stärkste
Kaltkathoden-Schaltröhre HSR21 mit einem Spitzenstrom von 10 kA gab.
Dieser starke Haudegen von Schaltröhre war aber ebenso sensibel, wie man
dies von kräftigsten Elefanten kennt, denn mit den damals
neuentwickelten Kathoden war es möglich, dass sie schon bei nur 20 mA
eine Bogenentladung ermöglichte.
Beitrag eines andern Lesers
Hallo Thomas,
Vielleicht solltest Du in dem entsprechendem Artikel im
Elektronik-Kompendium noch ergänzen, das man diese
Kaltkathoden-Schaltröhren noch recht lange in Blitzgeräten zum
vorzeitigen Abschalten des Blitzes zwecks Helligkeitsregelung einsetzte.
(Heute nimmt man, glaube ich, spezielle schnelle Thyristoren.) Eine
weitere mögliche Ergänzung wäre vielleicht noch ein Bericht über
Quecksilberdampfgleichrichter. Diese Gleichrichter wurden schon vor
dem zweiten Weltkrieg zur Stromversorgung von Strassenbahnen (stationär)
mit einigen hundert oder tausend Ampere benutzt. Sie bestanden aus einem
Quecksilberspiegel als Kathode und teilweise sechs Anoden mit Steuergittern
für 6-Puls-Gleichrichter und waren in einem etwa Kühlschrank grossem
Glaskolben eingebaut. Diese Kenntnisse habe ich von meinem Vater, der
inzwischen verstorben ist. Eigene Kenntnisse auf diesem Gebiet habe ich
leider nicht. Den Unterschied zwischen Kaltkathoden-Relaisröhren und
Kaltkathoden-Thyratrons kannte ich bisher noch nicht.
Antwort 1 von mir: Es gibt zwei Methoden der
Leuchtenergie-Regelung bei Fotoblitzgeräten. Die eine entladet den
Blitzkondensator und schliesst so frühzeitig den Entladekondensator
kurz. Dadurch wird die Blitzdauer reduziert. Diese Brachialmethode ist
sehr unökologisch, weil die Batterie oder der Akku, unabhängig ob volle
oder nur reduzierte Blitzleistung, gleich schnell verbraucht oder
entladen ist. Die andere, ökologischere und intelligentere Methode
schaltet den Blitzstrom frühzeitig aus. Die verbleibende Restladung im
Kondensator dient der schnelleren Wiederaufladung, wodurch das
Blitzgerät schneller wieder einsatzbereit ist. Ob diese Abschaltung mit
einem Transistor oder mit einem speziell abschaltbarem Thyristor
erfolgt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Antwort 2 von mir: An diese Quecksilberdampfgleichrichter kann
ich mich noch sehr gut erinnern. Während meiner Schulzeit, Ende der
1950er-Jahre, hatte die Mutter eines Schulkollegen von mir ein kleines
Geschäft mit Milchprodukten. Um ihre Produkte - zur Hauptsache frische
Kuhmilch - zu verkaufen, hatte sie ein akkubetriebenes Elektromobil.
Nach der Verkaufstour musste der grosse Bleiakku stets wieder aufgeladen
werden. Zwecks guter Konvektionskühlung bestand das sehr grosse Gehäuse
des Ladegerätes zu einem grossen Teil aus gelochtem Eisenblech, durch
das man leicht hineinblicken konnte. Mich faszinierte stets das rötliche
Leuchten der Glühkathoden und das neblig hellblaue Leuchten des
Quecksilberdampfes zwischen Anode und Kathode. Damals hatte die
Elektronik noch eine Art romantisches Feeling... :)
Als alter Radiofreak kannte ich natürlich auch die kleinen
Gleichrichter-Vakuumröhren. Sie gehörten zu meinem Bastelalltag in den
1950er/1960er-Jahren. Diese Röhren enthielten kleine Quecksilbermengen,
welche die Leitfähigkeit zwischen Anode und Kathode unterstützten und so
den Wirkungsgrad etwas verbesserten. Auch hier verriet sich der
Quecksilberdampf durch bläuliches Leuchten, allerdings nur schwach.
Diese Röhre arbeitet aber als echte Vakuum-Röhre. Es gibt keine Zünd-
und Bogenspannung. Dies zur Unterscheidung zum oben erwähnten
Quecksilberdampfgleichrichter.
Schlusswort
Zum Schluss noch einige "Anektoden" aus der Blütezeit der Kaltkathodenröhren, - eine Epoche von etwa 20 Jahren. Diese Zitate stammen aus alten Hauszeitschriften der Firma Cerberus AG mit dem Titel "Cerberus Elektronik", aus den 1950er- und 1960er-Jahren:
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In der Mainummer der englischen Zeitschrift "Electronic Engineering" beschreibt L. Molyneux, Kings College, Durham University, eine elektronische Rechenmaschine, die mit Kaltkathoden-Relaisröhren, Kaltkathoden-Zählröhren (Nixi) und Transistoren arbeitet. Der Autor vertritt die Ansicht, dass eine solche Lösung gegenüber mechanischen Tisch-Rechenmaschinen preislich vertretbar ist. (1963)
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An der IEA-Ausstellung in London (Anfang Juni 1962) wurde eine elektronische Tisch-Rechenmaschine vorgestellt. Sie heisst Anita (A New Inspiration To Arithmetic) und ist mit 150 Kaltkathoden-Relaisröhren sowie 12 Glimm-Ziffernanzeigeröhren (Nixi) bestückt. Die Entwickler sind der Ansicht, die Verwendung von Kaltkathodenröhren ergäbe die vorteilhafteste Lösung.
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Nach "Electronics" Nr. 38 von 1960 werden in der Sowjetunion jährlich über zehn Millionen Kaltkathodenröhren in elektronischen Geräten eingesetzt.
Anmerkung von mir: Solche Schaltungen sind NEMP-sicher. Sie können sicher nicht zerstört werden und eine Zündung ist bei den sehr kurzzeitigen Impulsen im ns-Bereich kaum möglich. Die Ionisation ist zu träge. (NEMP = nuklearer elektro-magnetischer Impuls)
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In der Mainummer der französischen Zeitschrift "Electronique Industrielle" (1960) lesen wir einen Hinweis auf einen elektronischen Telefonwähler für 240 Linien, in dem 4700 Kaltkathodenröhren als elektronische Schalter eingesetzt sind. Die Kaltkathodenröhren treten anstelle von Siliziumdioden, die in einem früheren Modell verwendet wurden. Wir wissen nichts über die Gründe des Ersatzes der Siliziumdioden durch Kaltkathodenröhren, aber seine Tatsache zeigt, dass Kaltkathodenröhren neben Halbleitern zu den modernsten elektronischen Schaltelementen gehören.