Überspannungsschutz von empfindlichen
Verstärkereingängen


Einleitung

Es geht in diesem Elektronik-Minikurs darum, einfache und elegante Methoden zu zeigen, wie man empfindliche Signaleingänge von Verstärkerschaltungen wirksam gegen zuviel Spannung schützt, wie z.B. vor elektrostatischer Entladung, wie sie bei Berührung von elektronischen Teilen durch elektrisch geladenen Personen auftreten. Es werden dabei auch unerwünschte Nebenwirkungen gezeigt und wie man diese mit ebenso einfachen Mitteln beseitigen oder verhindern kann, wenn die Methode den Bedürfnissen genügt. Es wird in diesem Elektronik-Minikurs als Nebeneffekt eine exotische Transistorschaltung für Schalterenwendungen gezeigt, die wahrscheinlich nur noch wenige kennen.

Der Begriff elektrostatische Entladung ist grundsätzlich falsch, weil die physikalischen Vorgänge genau so dynamisch sind wie bei jeder anderen Form der Elektrizität. Wer es genauer wissen will, hier steht mehr davon:



Überspannungsschutz mit Dioden

Bild 1 zeigt das Beispiel eines wirksamen Überspannungsschutzes gleich an einem so genannten Instrumentations- oder, wie ich es eher zu nennen pflege, echten Differenzverstärker. Echt, weil nur diese Art den Vorteil bietet, die selbe sehr hohe Eingangsimpedanz am invertierenden und nichtinvertierenden Eingang zu haben. Eine einfache Differenzverstärkerschaltung mit nur einem Operationsverstärker (Opamp) kann dies nicht. Wer mehr zu diesem Thema erfahren möchte, lese die entsprechenden Elektronik-Minikurse (1), (2) und (3).

Was passiert wenn z.B. am Eingang +INP ein Überspannungsimpuls auftritt, der dadaurch zustande kommen kann, dass dieser Eingang im Zustand der persönlichen statischen Aufladung (mit einem Stuhl auf dem Kunstoffboden hin- und herfahren oder vom Stuhl aufstehen) berührt wird? Ist die Überspannung positiv, wird sie mit einem Strom über R1 und D1 nach +Ub abgeleitet. Da der Blockkondensator C1 und der parallelgeschaltete Elko am Spannungseingang +Ub der Leiterplatte (nicht gezeichnet) um sehr viele Grössenordnungen grösser sind als z.B. die Entladekapazität eines statisch aufgeladenen Menschen (etwa 100pF), kann +Ub nicht nennenswert ansteigen. Und wenn, wäre dies nur von sehr kurzer Dauer bis sich +Ub wieder auf den geregelten Spannungswert stabilisiert. Wenn die Betriebsspannung nicht gleich an der Worstcasegrenze des ICs liegt, besteht keine Gefahr für das IC. Bei negativer Überspannung gilt die selbe Betrachtung mit R1, D2 und C2.

Der Eingangsschutz kommt dadurch zustande, dass am nichtinvertierenden Eingang des Opamps die Spannung nie höher sein kann als +Ub plus die Diodenflussspannung, welche etwa 0.7V beträgt. Ist die Überspannung negativ und grösser als -Ub, gilt das selbe, bloss mit dem Unterschied, dass diese über R1 und D2 nach -Ub abgeleitet wird. Das Widerstands-Dioden-Netzwerk nach dem Eingang -INP ist identisch mit dem nach dem Eingang +INP. Es gelten hier die selben Überlegungen.

Wichtig ist, dass man relativ schnelle Dioden verwendet. Eine träge Gleichrichterdiode des Typs 1N400x hat hier nichts verloren. Eine der beiden traditionsreichen 1N4148- oder 1N914-Kleinsignaldioden eignen sich dafür aber sehr gut. Ebenso gut eignen sich kleine Schottky-Dioden, deren Vorteil eine niedrigere Diodenflussspannung ist.

Es kommt eben immer auch auf die Anwendung an. Die hier aufgezeigte Methode des Überspannungsschutzes eignet sich, wie bereits angedeutet, sehr gut als Schutz gegen statische Hochspannungseinflüsse, wenn die Quellkapazität niedrig ist. Als Überspannungsschutz einer Signalfreilandleitung, z.B. von einem Haus zu einem andern, welche womöglich Blitzeinschlägen ausgesetzt ist (z.B. auf einem freistehenden Hügel), eignet sich diese einfache Methode selbstverständlich nicht. Dies sei vollständigkeitshalber erwähnt.

Für den Fall einer dauerhaften Überspannung ist im Kapitel "Nicht funktionsfähiger Überspannungsschutz" ein fiktiver Fall beschrieben, der zeigt wie es dazu kommen kann, dass ein Überspannungsschutz seinen Dienst versagt und folgenschwer für eine ganze Schaltung sein kann.



Transistoren anstelle von Dioden

Die Bilder 2a und 2b zeigen, dass man anstelle von Dioden auch Transistoren verwenden kann. Es ist einem dabei freigestellt, ob man Kleinsignal-NPN- und oder Kleinsignal-PNP-Transistoren benutzen möchte. Wichtig ist einfach, dass immer die Basis-Kollektor- (NPN) oder die Kollektor-Basis-Diode (PNP) verwendet wird. Die Kollektor-Basis-Durchbruchspannung im sperrenden Bereich muss natürlich grösser sein als die Betriebsspannung zwischen +Ub und -Ub. Bei ±Ub = 15 VDC reicht ein BC109 nicht, ein BC107 oder BC550 jedoch sehr gut. Wichtig ist zu wissen, dass man auf gar keinen Fall die Basis-Emitterdiode einsetzen darf, weil diese nur eine Sperrspannung von etwa 5 bis 7 V aushält.


Warum Transistoren anstelle von Dioden?

Wenn die Verstärkerschaltung quasistationäre Signale verarbeiten muss, die mittel- bis hochohmig sind und man dabei grosse Anforderung an eine möglichst geringe DC-Offsetspannung und ebenso geringe Temperaturabhängigkeit dieser Störspannung stellt, kann diese durch den Einsatz von einfachen Signaldioden empfindlich gestört werden, weil diese zu grosse Sperrströme haben. Man müsste in diesem Fall unbedingt sogenannte Picoampere-Dioden (pA-Dioden) verwenden, die allerdings um Grössenordnungen teurer sind. und wie leicht sie erhältlich sind, ist dann noch eine zusätzliche Frage. Als ich vor vielen Jahren mal vor diesem Problem stand, kam ich auf die spontane Idee die Sperrströme von 1N914-Dioden mit den Basis-Kollektordioden von Kleinsignaltransistoren zu vergleichen. Dass ich herausfand, dass die Sperrströme bei den Transistoren um viele Grössenordnungen niedriger sind, war reiner Zufall. Bei einer Messung von 20 Exemplaren des Typs BC107B zeigten sich Sperrströme zwischen 1 und 10pA, wogegen die der 1N914-Dioden bei 10nA liegen. Andere Kleinsignaltransistoren wie der BC550C zeigte ebenso niedrige Sperrstromwerte. Diese Transistoren sind leicht erhältlich und sehr preiswert sind sie ebenfalls.

Im Jahre 2013 evaulierte ich erneut nach preiswerten pA-Dioden, für die Erweiterung eines bestehenden Projektes. Diesmal wurde ich fündig. Es gibt tatsächlich, genau richtig für diese Anwendung eine passende Doppel-pA-Diode zu einem sehr günstigen Preis - die BAV199.
Will man die Schutzschaltung klein gestalten, dann empfiehlt sich BAV199 im SOT23-Gehäuse. Nachteilig ist, dass man von diesem einen Produkt abhängig ist. Erhältlich ist diese BAV199 bei Farnell und Distrelec.



Exotische Transistorschaltung

Dem aufmerksamen Leser fiel bei den Bildern 2a und 2b die fein punktierten Verbindungen zwischen Basis und Emitter auf, was andeutet, man kann es tun, man muss es aber nicht. Was aber soll der Vorteil sein wenn man es tut?

Um dies zu verstehen, wird es etwas exotisch. Beginnen wir bei Teilild 3a, das einen Ausschnitt aus Bild 4 zeigt. Wir wissen jetzt, wenn die Eingangsspannung grösser ist als +Ub plus die Basis-Kollektor-Schwellenspannung, leitet die Basis-Kollektor-Diode diese Überspannung nach +Ub ab. In Bild 3b wird der ganze Schaltungsausschnitt inklusive der Basis-Emitterverbindung gezeigt.

Wieviele der Leser wissen, dass man Transistoren auch verkehrt, also Kollektor und Emitter vertauscht, betreiben kann? Man kann und man hat dabei einen Vorteil und zwei Nachteile. Vorteil ist, dass man viel niedrigere Kollektoremittersättigungsspannungen (im mV- bis 10-mV-Bereich) hinkriegt. Dies kann für Schalterfunktionen vorteilhaft sein. Die beiden Nachteile sind, dass die Stromverstärkung mit etwa 1 bis maximal 3 sehr niedrig ist und die Basis-Emitter-Sperrspannung bei jedem Silizium-Transistor nur etwa 5 bis 7 V beträgt.

Bild 3c zeigt eine solche exotische Transistorschaltstufe. Der Emitterkreiswiderstand RE hat hier eher die Funktion eines Kollektorkreiswiderstandes, weshalb RC in Klammer angedeutet wird. Lässt man jedoch diesen Widerstand weg und man verbindet den Emitter mit der Basis (Bild 3d), hat dies zur Folge, dass im Augenblick des Überschreitens der Basis-Kollektor-Schwellenspannung von etwa 0.7 V nicht nur ein Basis-Kollektor-, sondern auch ein Emitter-Kollektor-Strom durch R1 zu fliessen beginnt. Je höher der Basisstrom wird, um so höher würde auch der Kollektorstrom werden, könnte die Kollektor-Emitterspannung Uce drastisch zurückgehen. Allerdings bleibt dies des Transistors frommer Wunsch. Der Wunsch wird nämlich dadurch nicht erfüllt, dass bei einem Zurückgehen von Uce unterhalb der Basis-Kollektor-Schwellenspannung, der Basis- und somit der Kollektor-Emitterstrom aufhören würde zu fliessen. Diese, etwas konfus formulierte, Gegensätzlichkeit führt dazu, dass sich die Spannung zwischen Basis und Kollektor auf die typische Diodenflussspannung stabilisiert, allerding ein klein wenig niedriger ist und die Spannungssättigungskurve verläuft eine geringe Spur steiler. Man gewinnt nur wenig, aber die Massnahme Emitter und Basis zu verbinden ist auch nur eine kleine Massnahme. Man hat aber noch den zusätzlichen Nano-Vorteil, dass dieser Emitter nicht in der "Luft" hängt. Okay, man kann sich auf der Leiterplatte diese zusätzliche Lötstelle sparen, wenn es denn unbedingt sein muss.



Die fast fertige Lösung

Viel ist zur Schaltung in Bild 4 nicht zu erklären, weil der selbe Inhalt, der bereits in Zusammenhang mit Dioden als Überspannungsableiter beschrieben ist, auch hier gültig ist. Es folgen nur noch ein paar Ergänzungen.

Geringe aber nicht bedeutungslosere Überspannungen können z.B. auftreten, wenn zwei Geräte mit unterschiedlichen Netzteilen miteinander verbunden betrieben werden. Selbst dann, wenn beide Geräte gleichzeitig eingeschaltet werden, weiss man trotzdem nicht, ob es an gewissen Eingängen kurzzeitig nicht zu höheren Spannungen, als die Betriebsspannung der elektronischen Bauteile ist, kommen kann. Besonders bei Opamps mit CMOS-Eingängen kann mit der Überspannungsschutzschaltung in Bild 4 zusätzlich das Risiko eines Latchups vermieden werden. Über diesen Effekt liest man weiter unten.

Was aber ist bei der Dimensionierung von R1 bis R4 zu berücksichtigen? Eine dämpfende Wirkung auf das Eingangssignal haben diese Widerstände auch dann nicht wenn sie hochohmig gewählt werden, weil die Eingangswiderstände der beiden Opamp sowieso sehr gross sind, - besonders wenn man solche mit (Bi-)FET- oder sogar mit CMOS-Eingängen verwendet. Dies gilt allerdings nur bei relativ niedrigen Frequenzen oder bei quasistationären Signalen. Bei höheren Frequenzen können sich parasitäre Kapazitäten bandbreitelimitierend auswirken.

Man muss auch daran denken, dass die Summe von R1 bis R4 zum Rauschen des Gesamteingangsnetzwerkes störend beitragen kann. Dies besonders dann, wenn der Wert der Summe dieser Widerstände in der selben Grössenordnung oder grösser ist als der Ausgangswiderstand der Signalquelle. Beispiel: Es wäre sehr schlecht, würde man ein dynamisches Mikrophon mit einer Ausgangsimpdanz von 600 Ohm einsetzen und R1 (R3) hätte einen Widerstand von 4.7 k-Ohm und R2 (R4) 1 k-Ohm.



Alternativer Überspannungsschutz

Dies ist ein Leserbeitrag von Oliver Betz.

Es geht darum die Widerstände R1 und R3 (siehe Bild 1 und Bild 4) nicht fix zu dimensionieren. Je nach Anwendung des Überspannungsschutzes ist es besser wenn R1 und R3 abhängig vom Strom sind welcher im Überspannungsfall durch sie hindurch fliesst. Dann sollen R1 und R3 grösser sein. Diesen Trick erreicht man ganz einfach anstelle von R1 und R3 mit bipolaren Strombegrenzerschaltungen. Da die Funktion von R1 mit der von R3 identisch ist, wird nachfolgend nur noch von R1 die Rede sein. Vor- und Nachteile dieser Methode werden in diesem Kapitel ausführlich beschrieben. Siehe Bild 5:

Die beiden Schemata Bild 5.1 und 5.2 haben Bild 4 zur Grundlage. Was Oliver Betz zum Thema beiträgt, ist die bipolare Strombegrenzerschaltung mit den beiden FETs T1 und T2 und dem Widerstand Rx in Bild 5.2, anstelle des Widerstandes R1 in Bild 5.1. Beide Schemata haben Vor- und Nachteile:

Die Schutzschaltung in Bild 5.1 eignet sich vor allem als ESD-Schutz für geringe Entladungsenergien, wie bereits beschrieben. Diese Überspannungsform kann auftreten, wenn der Verstärkereingang von aussen zugänglich ist, z.B. mittels Steckkontakt. In der Praxis kann folgendes passieren: Eine Person erhebt sich von einem Kunstoffsessel. Dabei ladet sich diese Person elektrostatisch auf vielleicht 3000 Volt auf und sie hat eine Kapazität um die 100 pF. Sie hat bereits den Stecker eines Sensors in der Hand und steckt ihn in die Verstärkerbuchse ein. Noch bevor sich Stecker und Buchse berühren, macht es Pfitz und ein etwa 3mm langes Fünkchen springt. Je nach Polarität fliesst kurzzeitig ein Strom über R1 und T1 oder R1 und T2. Wir erinnern uns, diese Transistoren sind als leckstromarme Basis-Kollektordioden geschaltet um unnötigen DC-Spannungsoffset zu vermeiden, wie dies beim Einsatz von Dioden (z.B. 1N914) der Fall wäre.

Wie sieht es jedoch bei einer dauerhaften Überspannung aus? Je höher die Überspannung ist, um so grösser muss man R1 wählen, damit der Strom durch T1 oder T2 und damit die Verlustleistung in R1 nicht zu gross wird. Gehen wir mal davon aus, dass wir für R1 einen 0.25-Watt-Widerstand einsetzen. Damit dessen maximale Verlustleistung nicht überschritten wird, muss man davon ausgehen, dass die Überspannung eintreten kann, wenn die Schaltung nicht im Betrieb ist, die Betriebsspannung also ausgeschaltet ist. Wir wollen dafür sorgen, dass eine Dauerüberspannung von ±40 VDC sicher geschützt ist. Der minimale Widerstand berechnet sich zu 6.4 k-Ohm. Man kann also einen 0.25-Watt-Widerstand mit einem Widerstandswert von 6.8 k-Ohm einsetzen. Für rauscharme oder aber auch für höherfrequente Anwendungen kann dieser Widerstandswert vielleicht zu gross sein.

Die Frage ist allerdings, wann muss man mit einer dauerhaften Überspannung rechnen? Zum Beispiel dann wenn der Eingang eines Verstärkers mit dem Ausgang einer aktiven (Sensor-)Schaltung betrieben wird, welche nicht am selben Netzteil angeschlossen ist. Wenn zuerst die aktive Sensorschaltung und erst danach (irgendwann) der Verstärker eingeschaltet wird, gibt's beim nachfolgenden Verstärkereingang eine beinahe dauerhafte Überspannung. Noch schlimmer ist es, wenn nur die aktive (Sensor-)Schaltung in Betrieb ist und die Verstärkerschaltung ist nicht eingeschaltet, wie dies Bild 6 illustriert...

Die von Oliver Betz vorgeschlagene elegante Lösung in Bild 5.2 schützt Verstärker- oder andere empfindliche Eingänge wirksam bis zu einer dauerhaften Überspannung von etwa 80 Volt und einer kurzeitigen Überspannung von 200 Volt. Diese etwa 80 Volt werden durch die Verlustleistung von T1, bzw. T2 limitiert. Fliesst ein Konstantstrom von 6 mA, beträgt diese Leistung bereits ein halbes Watt! Die 200 Volt sind durch die maximale Drain-Source-Spannung von T1, bzw. T2 bestimmt. Die Verlustleistung beträgt dann allerdings 1.2 Watt, darum ist dies nur sehr kurzzeitig zulässig!

Im Normalbetrieb wirkt bloss ein Seriewiderstand von etwa 500 Ohm. Im Falle einer Überspannung von 80 Volt und einem Konstantstrom von maximal 6 mA beträgt dieser Widerstand minimal 13.3 k-Ohm. Diese Strombegrenzerschaltung wird im folgenden Bild 7 noch einmal wiederholt:

Anstelle von R1 wird eine bipolare Konstantstromquelle mit den beiden Verarmungs-FETs T1 und T2 und dem Widerstand Rx verwendet. Liegt keine Überspannung vor, fliesst kein signifikanter Strom (z.B. Opamp-Biasstrom) durch Rx und die beiden FETs leiten, weil die Gates praktisch Sourcepotential haben. Der Drain-Source-Widerstand der beiden FETs liegt in diesem Betriebszustand je bei etwa 20 Ohm. Der Widerstandswert über der ganzen Schaltung liegt somit bei etwa 500 Ohm. Im Falle einer Überspannung fliesst ein Strom vom Eingang über T1, Rx und T2 entweder über T3 nach +Ub (positive Überspannung) oder über T4 nach -Ub (negative Überspannung).

Je höher die Überspannung, um so grösser der Strom und um so grösser der Spannungsabfall über Rx. Diese Spannung ist auch die Gate-Source-Spannung und je grösser diese ist, um so mehr wird die Drain-Source-Strecke des einen oder anderen FET, je nach Polarität der Überspannung, abgeschnürt. Der Drain-Source-Widerstand nimmt zu. Dieser Effekt führt bekanntlich zur Strombegrenzung. Oberhalb eines kritischen Spannungsabfalles über Rx stabilisiert sich dieser und damit der Strom durch Rx. Anders formuliert: Je grösser die Überspannung, um so grösser der Widerstand der FET-Strombegrenzerschaltung.

Der Vorteil dieser Methode ist, dass der "Seriewiderstand" im normalen Betriebszustand niederohmig und daher rauscharm ist. Dies ist für die Verstärkung von kleinen Signalspannungen aus niederohmigen Quellen vorteilhaft und wenn im Falle von Bild 6 eine Überspannung im Betriebsspannungsbereich dauerhaft eintritt, wird die Stromquellenschaltung so hochohmig, so dass kein Schaden angerichtet werden kann, - weder bei der Quelle noch bei den als Clampdioden geschalteten Transistoren T3 und T4 noch bei der nachfolgenden Schaltung (Opamp A1).

Keine Vorteile ohne Nachteile! Diese elegante Methode eignet sich hervorragend für nicht zu hohe Überspannungswerte. Wenn der FET durch die Gatevorspannung jedoch abgeschnürt wird, gilt gemäss Datenblatt die maximal zulässige Drain-Source-Spannung. Da im vorliegenden Fall der "Konstantstromquelle" jedoch auch dann ein Strom fliesst, darf selbst diese maximale Drain-Source-Spannung nur sehr kurz auftreten. Dies wurde bereits weiter oben begründet. Man muss also genau wissen, ob derart hohe Überspannungen überhaupt auftreten können und wenn, wie lange sie andauern. Im Beispiel von Bild 6 gibt es solch hohe Überspannungen nicht. Der Überspannungswert entspricht dort maximal der Betriebsspannung für die Sensorschaltung, oder etwas mehr, wenn im schlimmsten Fall das Netzteil defekt ist und die ungeregelte Gleichrichterspannung diesen Spannungswert liefert.

Ist man jedoch nicht sicher ob auch ESD-Überspannungen auftreten können, kann man als Option am Eingang zusätzlich einen Zink-Oxyd-Varistor ZOV hinzuschalten, dessen Begrenzungsspannung unterhalb der maximal zulässigen Drain-Source-Spannung der FETs liegen muss.


Ein paar wichtige Worte zu T3, T4 und R2

Es gibt Opamps welche, genauso wie digitale CMOS-Schaltkreise, eingangsseitig parasitäre Thyristoren enthalten. Diese Thyristoren (kreuzgekoppelte NPN/PNP-Transistoren) entstehen unbeeinflussbar beim CMOS-Herstellungsprozess. Wenn die Eingangsspannung grösser als etwa +Ub+0.6V oder -Ub-0.6V wird, beginnt der Gatestrom eines dieser parasitären Thyristoren zu fliessen. Oberhalb eines kritischen Gate-Stromwertes zündet der Thyristor mit seinem Haltestrom (Latchup-Effekt) und der gesamte Opamp (oder auch ein digitales IC) verabschiedet sich in die ewigen Elektronenjagdgründe, weil dadurch dessen Betriebsspannung kurzschgeschlossen wird. Der IC-Hersteller hat allerdings gelernt, die Latchup-Empfindlichkeit drastisch zu reduzieren, was zur Folge hat, dass der Gatestrom recht gross werden kann, bis der parasitäre Thyristor zündet und Schaden anrichtet.

Wenn dieser Haltestrom grösser definiert ist als der Strombegrenzungstrom der vorgeschalteten Stromquellenschaltung mit den beiden FETs, könnte man auf T3 und/oder T4 und R2 verzichten. Dieses 'und/oder' weist darauf hin, dass es Opamps gibt, bei denen nicht bei beiden Eingangsspannungsextremwerten je ein parasitärer Thyristor existiert und ein Latchup bewirken kann.

Wenn es betreffs Platz auf der Leiterplatte oder betreffs Kosten irrelevant ist, empfehle ich immer die Priorität des Worstcasedenkens! Dies wirkt sich auf die Langzeitstabilität einer Schaltung stets positiv aus. In diesem Fall empfehle ich T3, T4 und R2 zu benutzen.


Wozu braucht es R2 und wie gross muss er sein?

Dazu liest man etwas im Kapitel "Die fast fertige Lösung". Allerdings geht es dort um ESD-Entladungsvorgänge. Hier betrachten wir eine dauerhafte Überspannung mit geringeren Überspannungswerten. Siehe dazu folgendes Bild 8:

Für Eingänge von ICs mit parasitären Thyristoren wird meist angegeben, dass die Eingangsspannung 0.5 V die positive oder die negative Betriebsspannung nicht überschreiten darf. Mit negativer Betriebsspannung ist in der Single-Supply-Betriebsart natürlich GND gemeint und bedeutet, dass am Eingang GND minus 0.5 V nicht unterschritten werden darf. Diese in Datenblättern angegebenen maximal zulässigen Überspannungswerte liegen gerade noch unterhalb der Gate-Kathode-Schwellenspannung des parasitären Thyristors. Nun könnte es sein, dass diese Schwellenspannung, herstellerbedingt, geringfügig niedriger ist als die der als Clampdioden geschalteten Transistoren T3 und T4 oder auch wenn man an deren Stelle Kleinsignaldioden verwendet. Dies hätte zur Folge, dass im Überspannungsfall T3 und T4 gar nicht leiten können, weil der vollständige Stromfluss von den Gates der IC-internen parasitären Thyristoren übernommen würde. Dieser Extremzustand vermeidet R2. Er sorgt dafür, dass die Überspannung an der Verbindungsstelle von T3 und T4 einen etwas höheren Wert annehmen kann als am Eingang des ICs. Dieselbe Betrachtung gilt für ICs die zwar keine parasitären Thyristoren jedoch selbst Schutzdioden enthalten, die man lieber schonen will. Dazu liest man etwas weiter oben.

Die Unterschiede der Schwellenspannungen zwischen einzelnen Gate-Kathode- (parasitären Thyristoren) und Basis-Kollektor-Übergängen oder Diodenübergängen sind minimal. Bei etwa gleichen Strömen liegen die Unterschiede meist im 10-mV-Bereich. Angenommen die Schwellenspannung am IC-Eingang ist 20 mV niedriger als die an T3 bzw. T4, muss dafür gesorgt werden, dass minimal dieser Spannungswert im Überspannungsfall über R2 abfallen kann. Auf diese Weise wird der Stromfluss I2 in den Eingang des IC reduziert und T3 bzw. T4 übernehmen den grösseren Ableitstrom I1. Gezeichnet in Bild 8 ist nur I1 durch T3.

Führen wir ein Berechnungsbeispiel durch. Nehmen wir an der Schwellenspannungsunterschied betrage 20 mV und der Begrenzerstrom der MOSFET-Schaltung (Bild 7) betrage 2mA. Wir nehmen hier extra den niedrigsten Wert an, weil sich dies ungünstig auf den Wert von R2 auswirkt. R2 muss einen Wert von mindestens 10 Ohm haben (siehe Berechnung in Bild 8). Da jedoch der Widerstand der FET-Begrenzerschaltung im Normalbetrieb etwa 500 Ohm beträgt, darf man R2 durchaus grösser wählen, also zwischen 47 und 100 Ohm. Eine Erhöhung des Gesamtwiderstandes von 500 auf 600 Ohm verschlechtert das Signalrauschverhältnis nur unwesentlich, aber der Überspannungsschutz ist dadurch drastisch verbessert. Der Strom I2 ist mit 0.2 bis 0.4 mA bedeutungslos. Ein allfälliger Parasit von Thyristor lässt das kalt. :-)



Latchup durch parasitären Thyristor

In diesem Elektronik-Minikurs hat es viel mit parasitären Thyristoren zu tun. Diese entstehen durch den Halbleiterherstellungsprozess als Nebenprodukt. Solange sich Eingangs- und Ausgangsspannungen innerhalb der Betriebsspannung aufhalten, machen diese Parasiten keine Probleme.

Nun gibt es auch eine Anwendung wo der Latchupeffekt erwünscht ist. Dies ist der Thyristor-Crowbar. Wenn eine Überspannung (Netzteildefekt) auftritt, dann schaltet ein solcher Thyristor-Crowbar, manchmal ein mächtiger Bursche, die Betriebsspannung sofort kurz, haut erbarmungslos eine Schmelzsicherung raus und vermeidet so eine Zerstörung der Schaltung welche durch die defekte Betriebsspannung gespiesen wird.

Wie eine solche Crowbarschaltung funktioniert und wie man sie praktisch einsetzt, liest man in einem andern Elektronik-Minikurs:

In diesem Elektronik-Minikurs hat es auch Links zu den Thyristorgrundlageartikeln von Patrick Schnabel welche sehr lehrreich und empfehlenswert sind!



Nicht funktionsfähiger Überspannungsschutz

Etwas ganz Wichtiges wurde bisher noch nicht thematisiert. Es ist die Überlegung wohin denn der Strom fliesst, der durch eine Überspannung erzeugt wird und durch die eine Schutzdiode nach +Ub oder durch die andere nach -Ub fliesst. In einer komplexeren Schaltung genügen die Summe aller aktiven Bauteile, welche von +Ub oder ±Ub genügend Strom ziehen, so dass es auch noch der Strom von der Überspannung sein darf, ohne dass die Betriebsspannung in schädlichem Masse ansteigt. Wichtig ist, man muss sich dabei merken, dass das Netzteil selbst nicht in der Lage ist einen Rückstrom zu absorbieren, ausser es gibt eine nennenswerte Vorlast z.B. durch einen Lastwiderstand. Die folgenden Abschnitte behandeln dieses Problem mit einer fiktiven Schaltung, die dazu helfen soll, das Problem an einer realen Schaltung zu analysieren und zu beheben.

Bild 9 zeigt andeutungsweise eine Schaltung, die aus einer eingangsseitigen Impedanzwandlerstufe (IC:A) besteht, die mit einem Überspannungsschutz (D1,D2) ausgerüstet ist. Die quasistationäre Signalspannung Ue im niedrigen Volt-Bereich stammt von einem externen entfernten Gerät, das mit irgendwelchen Sensoren ausgerüstet ist um physikalische Grössen zu messen. Dieses externe Gerät wird mit einer Spannung von +24 VDC gespiesen.

Die fiktive Schaltung in Bild 9 enthält zusätzliche Komparatoren, Logikschaltungen und einen Micro-Computer. Alle diese ICs werden von einem Netzteil mit einer geregelten Spannung (7805) von +5VDC betrieben. Der Ausgang dieser Schaltung (nicht gezeichnet) liefert ein Messsignal für einen Computer der Messwerte zur Weiterverarbeitung übernimmt.

Lange Zeit arbeitet alles bestens, aber einestages geht plötzlich nichts mehr und die ganze Schaltung in Bild 9, alle ICs, sind zerstört. Was ist passiert? Die Analyse bringt es an den Tag: das vorgeschaltete Gerät mit seinen Sensoren liefert nur noch eine konstante Spannung von +24 VDC. Die Ausgangsschaltung des externen Gerätes ging aus einer unbekannten Ursache kaputt. Ein Transistor eines IC erzeugt einen Kurzschluss zwischen der +24-VDC-Speisung und dem Ausgang, angeschlossen an Ue.

Warum hat der Überspannungsschutz seinen Dienst versagt? R1 wurde mit 1k viel zu niederohmig gewählt. Durch R1 konnte ein Strom von fast 20 mA durch D1 in die Betriebsspannung +Ub hineinfliessen. Dieser Strom teilt sich im Wesentlichen auf in die Ladeströme Ic1 für C1, Ic2 für C2 und Ic3 für C3. Trafo und Gleichrichter haben keine Gegenwirkung, weil die die Dioden des Brückengleichrichters BG sperren. Ein Schaltregler wäre da kaum besser dran. Die Spannung an +Ub konnte theoretisch bis auf knapp 20 VDC ansteigen, wenn nicht vorher die Zerstörung einzelner ICs diesen Spannungsanstieg begrenzt und +Ub vielleicht sogar mit GND kurzgeschlossen haben.

Da im vorliegenden Beispiel die quasistationäre, also sehr langsame Signalspannung in Aktion ist, könnte man R1 erhöhen. Ist hohe Präzision gefordert, also eine sehr niedrige DC-Offsetspannung (von D1 und D2 verursacht), muss man anstelle von Dioden Transistoren (Bild 5) einsetzen. Auf bipolare Stromquellen (Bild 5) anstelle von R1 könnte man u.U. wegen der niedrigen Signalfrequenz verzichten. Zufriedenstellend ist die Lösung jedoch immer noch nicht, falls die verwendeten Bauteile nur einen sehr niedrigen Strom ziehen. Dann muss man, wie Bild 5 zeigt, zusätzlich einen passenden Zink-Oxyd-Varistor ZOV zwischen Ue und GND oder alternativ besser eine Kleinleistungs-ZDiode ZD zwischen +Ub und GND mit einer Z-Spannung in der Region von 6 V schalten. (Siehe: Z-Diode mit gestrichelter Verbindung.) Für eine Präzisionsmessung dürfte dies die bessere Lösung sein, weil so Ue nicht zusätzlich belastet wird. Je nach Verhältnis des Stromes, erzeugt durch die Überspannung, zum Stromverbrauch der aktiven Bauteile, könnte man auch zur Betriebsanzeige zwischen +Ub und GND eine LED mit Seriewiderstand schalten, wenn diese durch den Eigenstromverbrauch dazu beiträgt, dass +Ub im Falle dieser Ueberspannung nicht nennenswert ansteigt.

Es handelt sich mit Bild 9 um eine fiktive Schaltung, die einfach nur zeigen soll, welche Probleme entstehen können. Bei einer realen Schaltung und einer realen Signalquelle, muss man die Situation seriös untersuchen. Bild 9 und dieser Text dienen dann einfach als Unterstützung. Zum Schluss dieses Kapitels sei noch angemerkt, dass sogenannte elektrostatische Entladungen durch Berühren von Ue alleine schon durch C1 ausreichend absorbiert werden, weil diese Elko-Kapazität von 10 µF etwa 100'000 mal grösser ist als die elektrische Kapazität eines elektrisch aufgeladenen Menschen von etwa 100pF. Für den Fall, dass Schalter S geschlossen ist, ist die Absorbtionswirkung noch um Grössenordnungen besser.