Thyristor-Crowbar:
Mit der Brechstange gegen zuviel Spannung!
Einleitung
Für diese Brachialmethode gibt es zwei unterschiedliche
Ausführungsformen. Gemeinsam ist einzig die Komparatorschaltung, welche
feststellt, ob eine Spannung zu hoch ist. Die resultierende
Spannungsänderung am Ausgang des Komparators wird verstärkt und ein
enorm starker Elektromagnet aktiviert, der eine Brechstange aus Eisen in
Bewegung setzt. Ab hier kommen zwei unterschiedliche Betriebsarten zur
Anwendung: Entweder haut die Brechstange blitzartig und erbarmungslos
das Netzteil zusammen oder sie fährt ebenso blitzartig in die
Spannungsanschlüsse hinein und schaltet diese kurz.
Spass beiseite, wir leben ja nicht mehr in der Elektronikepoche des
Neandertalers. Trotzdem, die zweite Anwendungsart kommt der
Thyristor-Crowbar-Methode am nächsten, die nachfolgend beschrieben wird.
Wörtlich übersetzt heisst Crowbar Brechstange. Die folgende
Methode ist intelligenter als nur gerade wild dreinschlagen. Sie ist
auch wesentlich besser reproduzierbar. Dies war ja auch schon damals die
feinfühligere Lebensart der Cromagnards (Menschentypus der jüngeren
Altsteinzeit) mit ihren kunstvollen südfranzösischen Höhlenmalereien,
welche bei ihren Streifzügen durch das europäische Festland, den
keulenschwingenden Neandertalern eine differenziertere Kultur zeigten,
wie dies der Film der unterhaltsamen Art "Am Anfang war das Feuer"
illustriert. :-)
Grundlagen zum Thyristor
Patrick Schnabel sei hier gedankt. Er hat sehr gute Vorarbeit zu allen sogenannten Vierschicht-Halbleiterbauelementen geleistet. Dies betrifft die Vierschichtdiode, den Thyristor, die Thyristortetrode, den GTO-Thyristor, den Diac und den Triac. Es macht wenig Sinn hier jede einzelne WWW-Seite anzugeben. Man tippe in die Schnell-Suchfunktion des Elektronik-Kompendium die Bezeichnung thyristor und es wird einem gleich die ganze Palette zu diesem Thema präsentiert.
Kleiner und einfacher Thyristor-Crowbar
Bei Thyristor-Crowbars geht es darum Schaltungen vor dauerhaften
Überspannungen zu schützen. Für sehr kurzzeitige
Hochspannungstransienten eignet sich diese Methode ebenso wenig wie die
Methode des Shuntreglers (Überspannungsbegrenzer), z.B. bestehend aus
einer Leistungs-Zenerdiode oder aus einer Zenerdiode mit
Leistungstransistor.
Eine ganz andere Methode, nämlich die des Shuntreglers eignet sich eher
in Verbindung mit regelbaren Labornetzgeräten um ein zu weites
Hochfahren der Ausgangsspannung zu verhindern. Diese Methode
stabilisiert die Betriebsspannung auf ein ungefährliches Mass und die
Funktionsfähigkeit der Schaltung bleibt erhalten. Dies ist bei der
Crowbarschaltung nicht der Fall, weil die Betriebsspannung durch das
Kurzschliessen von +Ub mit GND abgeschaltet wird. Man findet auf diese
Weise schützende Shuntrgegler kaum eingebaut in den kommerziellen
Netzgeräten. Man kann sich so etwas jedoch leicht selbst bauen. Es setzt
natürlich voraus, dass das Netzgerät eine definierbare einstellbare
Strombegrenzung, jedoch keine sogenannte Foldback-Charakteristik
(rücklaufender Überlaststrom) hat.
Möchte man mehr zum praktischen Nutzen des Shuntreglerprinzips mit
Hilfe einer selbstgebauten Power-Zener-Diode erfahren, dann schalte man
um nach:
Zurück zur Methode des Thyristor-Crowbar. Diese empfiehlt sich vor allem
in Fertiggeräten wo fixe Betriebsspannungen im Einsatz sind. Im Falle
einer Störung des Netzteiles, welches eine dauerhafte Überspannung zur
Folge hätte, wird die Betriebsspannung mit einem Thyristor sofort
kurzgeschlossen. Dies lässt die Schmelzsicherung durchbrennen. Daher
hier die berechtigte Bezeichnung Crowbar (Brechstange). Es gibt auch
vereinzelte kommerzielle Netzgeräte die einstellbare Crowbar-Schaltungen
enthalten. Diese werden oft bei der einstellbaren Ausgangsspannung
zwischen 0 VDC und etwa 7 VDC realisiert. Der maximale Ausgangstrom
liegt oft bei vielen Ampere. Eine solche Spannung dient in der Regel für
den Testbetrieb aufwendiger Digitalschaltungen. Hier muss das
vorgeschaltete Netzteil eine Strombegrenzung mit Foldbackcharakteristik
aufweisen, weil sonst die Verlustleistung bei eingeschaltetem Thyristor
(Kurzschlusszustand) zu gross wäre. Erst durch Aus- und wieder
Einschalten des Netzgerätes ist dieses wieder einsetzbar.
Wir kommen nun zu einer einfachen Schaltung einer Thyristor-Crowbar in
Bild 1:
Diese Schaltung zeigt einen Thyristor-Crowbar in einem Netzteil, das
eine konstant geregelte DC-Spannung von +12 VDC erzeugt. Sollte der
Spannungsregler VR derart zerstört werden, dass Ue mit Ua kurzschliesst,
liegt die ungeregelte DC-Spannung über dem Lade-Elko
CL an +Ub, die die an +Ub angeschlossene Schaltung
zerstören kann. Dies vermeidet der Crowbar. Der Thyristor TH zündet und
schliesst die gesamte Schaltung kurz, wodurch blitzschnell die
Schmelzsicherung F im Primärkreis durchbrennt.
Die Crowbar-Funktion etwas mehr im Detail. Wenn die Spannung zwischen
+Ub und GND soweit ansteigt, dass die Z-Diode Z leitet, fliesst von +Ub
über Z und R2 in den Thyristor TH ein Gatestrom. TH zündet und +Ub wird
mit GND kurzgeschlossen. +Ub reduziert sich zunächst auf etwa 1 bis 1.6
VDC (Durchflussspannung des Thyristors) und das nachfolgende Auslösen
der Schmelzsicherung F schaltet +Ub ganz ab. Da die Überspannung sehr
plötzlich auftreten kann, ist R2 als Gatestrombegrenzer ratsam. Es
könnte sonst geschehen, dass der Strom durch Z im ersten Augenblick zu
gross ist und Z zerstört wird. R2 hat aber noch eine andere Funktion. R2
bildet mit C ein passives Tiefpassfilter. Irgendwelche Störimpulse, auch
unterhalb einer Mikrosekunde, können über ein empfindliches Gate den
Thyristor leicht zünden. Eine solche Fehlzündung darf nicht passieren!
Der Crowbar darf nur dann reagieren, wenn das Netzteil defekt ist und
deshalb eine dauerhafte Überspannung auftritt.
Sehr kurzzeitige Überspannungstransienten unterdrückt man vorzugsweise
mit einem Zinkoxyd-Varistor, der entweder der Primärspannung Up oder der
Sekundärspannung Us parallelgeschaltet wird. Dies ist in Bild 1 nicht
illustriert. Die Grundlagen zur Arbeitsweise des
Varistor
erfährt man in diesem Grundlagenkurs von Patrick Schnabel.
R1 hat den Zweck, dass der beim Ansteigen einer Überspannung zuerst
niedrige Strom der Z-Diode Z, knapp unterhalb der eigentlichen
Zenerspannung, abgeleitet wird. Dadurch bleibt die Spannung über R1
unterhalb der Gate-Kathoden-Schwellenspannung von TH. Erst dann wenn der
Z-Strom steil ansteigt, soll über R1 genügend Spannung abfallen, sodass
ein ausreichend grosser Strom über R2 ins Gate des Thyristors TH diesen
zündet.
Die Z-Diode hat im vorliegenden Beispiel einen Wert von 13V. Ich
realisierte diese Schaltung um einen teuren Hochspannungs-DCDC-Wandler
vor Überspannungen zu schützen, der mit einer geregelten Spannung von
+12 VDC betrieben werden musste.
Zur Wahl des Thyristors
Der in Bild 1 verwendete Thyristor S2008LS2 lässt einen maximalen
Dauerstrom von 8 A zu. Dieser Strom ist viel grösser als der Netztrafo
bei defektem Netzteil hätte liefern können. Aber darum alleine geht es
nicht, denn wenn TH zündet, schliesst er einen Ladeelko kurz und TH muss
diesem hohen, allerdings auch sehr kurzzeitigen Strom standhalten
können. Neben dem maximalen Dauerstrom gibt es beim Thyristor auch noch
einen maximalen nichtrepetitiven Spitzenstrom während einem Sinuszyklus
von 50 oder 60 Hz. Dieser Stromwert ist in der Regel 10 bis 20 mal
grösser als der maximal zulässige Dauerstrom. Da aber die Stromdauer bei
der Entladung eines Ladeelkos CL, durch den sehr
niedrigen Innenwiderstand eines gezündeten Thyristors, sehr viel kürzer
ist als eine 50Hz- oder 60Hz-Sinusperiode, darf der Spitzenstrom grösser
sein als der sogenannte maximale nichtrepetitive Spitzenstrom. TH musste
die Entladung eines Ladeelko mit 2'200 µF bei einer Spannung von 18 VDC
aushalten. Ich stellte mehrere Worstcase-Crowbarversuche mit einem Elko
mit 10'000 µF an, der jeweils auf 30 VDC geladen wurde und ich konnte
den Thyristor nicht zerstören. Die Funken bei diesen Experimenten
knallten schön laut. :-)
Diesen Thyristor S2008LS2 scheint es längst nicht mehr zu geben und ich
habe im Internet auch kein Datenblatt mehr gefunden (Januar 2010). Will
jemand die Schaltung in Bild 1 nachbauen, muss man einen äquivalenten
Thyristor evaluieren. Bevor man die definitive Schaltung baut, sollte
man mit mehreren Exemplaren, gemäss obigem Abschnitt, Versuche
anstellen. Bei der Wahl von R2 sollte man im Datenblatt auch den
Gate-Zündstrom berücksichtigen. Kritisch ist das nicht, weil R2 nur
dafür sorgen muss, dass der maximal zulässige Gatestrom sicher nicht
überschritten werden kann. Wegen dem sofortigen Kurzschliessen von TH
leitet Z nur sehr kurz und so dauert dessen Verlustleistung ebenfalls
sehr kurzzeitig. Ohne R2 besteht aber trotzdem das Risiko der Zerstörung
von Z, weil der Strom ganz ohne ohmsche Begrenzung, wenn auch extrem
kurzzeitig, trotzdem zu hoch werden kann.
Gemäss späterer Information von Littelfuse wurde der S2008LS2 (SCRs 8A
400V) ersetzt durch den
S4008LS2
(SCRs 8A 400V). Erhältlich ist der S4008LS2 bei Farnell (August 2014).
Grosser und aufwändiger Thyristor-Crowbar
Zu dieser relativ aufwändigen Schaltung ein wenig Vorgeschichte, welche
über Sinn und Zweck aufklärt. Ich wirkte mal beim Bau einer 24-kanaligen
Audiometriemessanlage mit. Mit dieser Anlage untersuchte man damals die
Richtungsempfindlichkeit des menschlichen Gehörs. Dazu baute man acht
Lautsprechertürme mit je 3 Lautsprecherboxen. Diese Türme wurden im
Kreis angeordnet und der zu beschallende Proband sass im Zentrum aller
Lautsprecher auf einem Stuhl und wurde programmgesteuert beschallt...
:-)
Jeder Lautsprecherturm enthielt ein
Netzteil mit Ringkerntrafo,
drei Vorverstärker, drei Klangreglerstufen um die spektralen Unterschiede
zwischen den Lautsprechern etwas vor-auszugleichen und drei
Audio-Endverstärker. Dazu kam ein grosses gemeinsames Steuerrack das 24
DSP-Einheiten mit viel digitaler und zusätzlicher analoger Elektronik
enthielt, um diese 24 Lautsprecher mittels eines PC zu steuern. Die
5-VDC-Speisung für die gesamte digitale Elektronik musste 35 A liefern.
Da ich in einem "Verlies" zwei alte 5V/25A-Schaltregler fand, die man
mittels Synchronisation parallelschalten konnte, benutzte ich diese und
man sparte damit damals einen Haufen Geld. Diese beiden Schaltregler
enthielten je eine thyristorgesteuerte Überspannungsabschaltung, jedoch
war dies keine wirkliche Crowbarschaltung. Der gezündete Thyristor
wirkte auf die Elektronik des Schaltreglers und stellte sie einfach ab.
Dieser Methode traute ich zuwenig und besonders deshalb nicht, da ich
zwei dieser Schaltregler parallschalten wollte. Also dachte ich mir
etwas ganz Sicheres aus, denn die sehr teure und sehr aufwändige
Digitalschaltung sollte so perfekt wie möglich geschützt werden. Daraus
entstand die Schaltung wie sie Bild 2 präsentiert:
Der Thyristor TH des Typs 71RIA60 von SILICON CONTROLLED RECTIFIERS ist
ein mächtiger Bursche. Sein maximaler Dauerstrom liegt bei 70 A und der
maximale nichtrepetitive Spitzenstrom während eines Sinuszyklus von 50
Hz beträgt stolze 1200 A. Damit war sichergestellt: Wenn dieser
Thyristor kurzschliessen sollte, wird er, ohne gross mit der Wimper zu
zucken, auf jeden Fall überleben. Dieser Thyristor ist längst
abgekündigt. Trotzdem steht ein
71RIA60-Datenblatt
zur Verfügung, das den interessierten Leser unterstützt ein äquivalentes
Produkt zu finden.
Zur Schaltung in Bild 2 im Detail. Die Bandgap-Referenz-Diode BG
referenziert die Spannung an +Ub an der TH zünden und +Ub mit GND
kurzschliessen soll. Mehr zum Thema Bandgap-Spannungsreferenz liest man
in meinem Elektronik-Minikurs:
Das Netzwerk aus R2, R3 und P ermöglicht den präzisen Abgleich bei
welcher Betriebs-Überspannung +Ub der Thyristor TH zünden soll. Man
stellt P so ein, dass bei einer bestimmten Überspannung von +Ub die
Spannung am invertierenden Eingang des LinCMOS-Komparator IC:K der
Referenzspannung von BG von 2.5 VDC entspricht. Bei der vorliegenden
Anwendung beträgt die Überspannung an +Ub 6 VDC. Weil ein LinCMOS-Opamp
im Einsatz ist, erfolgt die Messung an Pin 6 von IC:K extrem hochohmig.
Dadurch ist eine Fehlerspannung, die durch die Messung auftritt, nicht
nennenswert. Steigt die Überspannung an +Ub noch ganz minimal weiter an,
kippt der Ausgang der schwach hysteresebehafteten Komparatorschaltung
von HIGH (+Ub) auf LOW (GND). Diese Umschaltung verschiebt, gegeben
durch den Spannungsteiler R4 und R6, die Spannung am nichtinvertierenden
Eingang von K ganz wenig im 10mV-Bereich, aber sprunghaft, in Richtung
GND. Dies vergrössert die Spannungsdifferenz zwischen den beiden
Eingängen von IC:K zusätzlich und schnell, was den Umschaltvorgang
beschleunigt. Diese Hysterese macht den Komparator zu einem
Schmitt-Trigger, wenn auch nur mit einer sehr schwachen Mitkopplung. C2
wirkt im Augenblick des Spannungssprunges am Ausgang von IC:K als
relativ niederohmige Kapazitanz und beschleunigt so den Vorgang
zusätzlich. Die Hysterese vergössert sich in diesem Augenblick dynamisch
sehr kurzzeitig. C2 solle ein Keramik-Kondensator sein.
Wer mehr zum Thema Schmitt-Trigger erfahren möchte, mache sich schlau in
folgenden beiden Grundlagenkursen von Patrick Schnabel:
Wer mehr zum Thema Präzisions-Schmitt-Trigger erfahren und eine praktische Anwendung kennen lernen möchte, empfehle ich meinen Elektronik-Minikurs:
Die Hysterese hat hier in Bild 2 keinen messtechnischen Zweck. Sie
erfüllt einzig die Aufgabe, dass die Komparatorschaltung im Augenblick
der Umschaltung nicht zum Schwingen neigt. Der erfahrene
Elektronikentwickler weiss nur zu gut, dass Komparatorschaltungen sehr
leicht dazu neigen, im Moment der Umschaltung, Oszillationsbursts
(Schwingungspackte) zu erzeugen. Darum eignen sich auch für "reine"
Komparatorschaltungen schwach wirkende Hysteresen, wenn diese die
Funktion nicht stören.
Bild 3 zeigt die Ausgangsstufe des TLC3702 und den ganzen Rest bis zum
Thyristor. Der TLC3702 ist ein Dualkomparator in einem 8-pin-Gehäuse:
Über den Spannungsteiler R7 und R8 wird Transistor T angesteuert. "Warum denn ein Spannungsteiler, R7 alleine würde doch auch genügen?", würde der aufmerksame Leser, der den Komparator TLC3702 kennt, denken, weil er weiss, dass dieser mit seiner Rail-to-Rail-Eigenschaft LOW- und HIGH-Signale mit GND und +Ub liefert. Damit hat er natürlich Recht. Man kann jedoch auch einen andern Komparator benutzen, nämlich einen solchen mit Openkollektor- (bipolar) oder Opendrain-Ausgang (CMOS). Es gibt, vor allem in bipolarer Schaltungstechnologie viel mehr Komparatoren mit Openkollektor-Ausgängen. Illustriert wird dies in Bild 4 mit dem legendären LM393, der funktions- und pin-kompatibel ist mit dem TLC3702 und ebenfalls die Singlesupply-Eigenschaft hat, dass die Eingangsspannung (Common-Mode-Spannung) bis hinunter auf den GND-Pegel gehen darf:
Im Betriebszustand liegt der Ausgang des TLC3702 (Bild 3) auf
HIGH-Pegel, der des LM393 (Bild 4) befindet sich im extrem hochohmigen
Zustand, weil die Schaltung des Transistors am Ausgang des LM393 als
Open-Collector arbeitet. Ohne R8 wäre die Basis des PNP-Transistors T
unbeschaltet offen. Rein statisch betrachtet funktioniert die Schaltung
trotzdem. Falls jedoch naheliegende steilflankige Störimpulse, durch
kapazitive Kopplung mit der Leiterbahn in Richtung Basis, in die offene
Basis gelangen, können sie trotz des passiven Tiefpassfilter R9*C4 im
schlimmsten Fall den Thyristor zünden und dieser schaltet +Ub mit GND
kurz. R8 vermeidet dieses Problem, weil damit im Betriebszustand die
Basis von T auf +Ub gesetzt ist. Genau so wie beim TLC3702.
R7 und R8 wirken als Spannungsteiler und arbeiten zusammen als
Pullup-Widerstand. Dieser Spannungsteiler erfüllt aber noch eine andere
wichtige Funktion, die wir im Kapitel "Das Einschaltverhalten"
noch genauer kennen lernen werden.
Wenn Überspannung bei +Ub auftritt, wird der Ausgang des Komparators
LOW. Er hat annähernd GND-Potential. Es fliesst ein Basisstrom von T
über R7 zum Ausgang des Komparators. T leitet, sein Kollektorstrom führt
über R9 zum Gate des Monsterthyristor TH und zündet ihn. Dieser schaltet
die Speisung sofort kurz, worauf dann eine Sicherung rausfliegt oder
eine Foldback-Strombegrenzung aktiv werden muss. Das Tiefpassfilter aus
R9 und C4 reduziert drastisch die TH-Zündempfindlichkeit auf eventuelle
Störimpulse mit steilen Transienten. C2, am Besten als
Keramik-Multilayer-Kondensator, so nahe wie möglich an den Anschlüssen
beim Thyristor, damit die parasitären Induktivitäten so niedrig wie
möglich bleiben. Die Zeitkonstante von R9*C4 liegt hier bei etwa 7 µs
und genügte für den damaligen Zweck mehr als ausreichend. Wenn man keine
professionelle Möglichkeit hat, die Störempfindlichkeit für steile
transiente Vorgänge zu testen, gibt es eine einfache und recht wirksame
Feld-Wald-und-Wiesen-Methode, die man allerdings trotzdem mit gewissen
Vorbehalten anwenden muss. Davon liest man im Kapitel "Trivialer
Störtest mit Ministörsender" im folgenden Elektronik-Minikurs:
Das Einschaltverhalten
Im Augenblick des Einschalten der Betriebsspannung +Ub steigt diese
Spannung bis zu ihrem vorgesehenen stabilen Wert. Dies kann allerdings
sehr schnell gehen. Trotzdem durchschreitet +Ub ein Bereich unterhalb
der minimalen Betriebsspannung des integrierten Komparators. In diesem
Bereich arbeitet die Schaltung nicht immer korrekt. Bei der Verwendung
des LinCMOS-Komparator TLC3702 gibt es dieses Problem allerdings nicht.
Wir betrachten dazu noch einmal Bild 2 geringfügig erweitert in Bild 5:
Mit dem Einschalten der Betriebsspannung +Ub steigt diese mit der
Referenzspannung Ur und der zu testenden Spannung Ut gemeinsam an. Da Ut
stets wegen Ub*(R3+P)/(R2+R3+P) geteilt ist, bleibt Ut stets unterhalb
von Ur. Und das heisst, dass die Ausgangsspannung Uo HIGH-Pegel hat und
deshalb mit nahezu dem selben Wert +Ub ansteigt. Dadurch bleibt
garantiert, dass der Transistor T offen bleibt und der Thyristor TH
nicht fehlzünden kann. Ut wird nur dann grösser als Ur, wenn +Ub einen
unerlaubten Wert überschreitet. Nur dann darf Uo LOW-Pegel (annähernd
GND) annehmen, wodurch T leitet und TH zündet. Dieser Grenzwert wird mit
P eingstellt.
Ob dies genau so funktioniert, wenn ein ganz anderer Komparator zum
Einsatz kommt, ist unsicher. Unterhalb der minimal zulässigen
Betriebsspannung muss Uo nicht unbedingt dem logisch richtigen
HIGH-Zustand bei Ut < Ur folgen. Es könnte durchaus sein, dass Uo
anstatt des HIGH- den LOW-Pegel einnehmen kann, TH zündet und deshalb
kann +Ub gar nie die vorgesehene Betriebsspannung erreichen. Um diesen
Fehler sicher zu vermeiden, muss man das Verhältnis von R7 und R8 so
dimensionieren, dass unterhalb der minimalen Betriebsspannung des
Komparators IC:K, im Falle eines LOW-Pegels an seinem Ausgang, die
Spannung an R8 so klein bleibt, dass in T noch kein Basisstrom fliessen
kann und so das Fehlzünden von TH unterbleibt. Wir kommen zu Bild 6:
Der LM393 kommt deshalb zum Einsatz, weil ein ELKO-Leser dieses Problem
mit der falschen Zündung des Thyristors mit diesem Komparator-IC
erfahren hatte und mich in einer E-Mail anfragte, wo das Problem liegt.
Wie dieses Problem auf einfache Weise gelöst werden kann, zeigt Bild 6.
Bild 6 ist grundsätzlich die selbe Schaltung wie Bild 5, jedoch mit
anders dimensionierten Widerständen R7 und R8 und mit zusätzlichen
Informationen in Zusammenhang mit dem nachfolgenden Text.
Im Falle der Überspannung an +Ub - im vorliegenden Beispiel sind das 6
VDC - soll TH zünden und diese Überspannung kurzschliessen. Dies setzt
voraus, dass Uo (LM393-Ausgang) LOW-Pegel hat. Eine Spannung, die nahe
beim GND-Pegel von 0 VDC liegt. Damit der Kollektorstrom von T gross
genug ist für die Zündung von T, beträgt der T-Basisstrom etwa 5 mA. Da
der Kollektorstrom des Ausgangstransistor Q8 (LM393), aus Gründen der
Sättigung von Q8 nicht viel grösser als 10 mA sein sollte (siehe
LM393-Datenblatt), muss R8 so gross gewählt werden, dass durch ihn nicht
mehr als weitere 5 mA fliessen. Das ergibt für R8 140 Ohm. Die Wahl
fällt auf 150 Ohm. Bei einem Summenstrom von 10 mA beträgt die
Q8-Sättigungsspannung etwa 0.7 VDC. So genau müssen diese 10 mA
allerdings nicht sein, aber oberhalb von knapp 20 mA steigt die
Q8-Sättigungsspannung drastisch an und das ist nicht mehr zulässig.
Warum Q8 nicht mehr Kollektorstrom ziehen kann, kommt daher, dass der
Q8-Basisstrom mit der Konstantstromquelle Iq auf 0.1 mA begrenzt ist.
Bei einem Q8-Kollektorstrom von 10 mA ist bereits eine Stromverstärkung
von 100 gefordert, das eindeutig an der obersten Grenze liegt, wenn es
darum geht einen Transistor zu schalten. Wahrscheinlich lag dem
IC-Hersteller viel daran, den Leistungsverbrauch des LM393 so niedrig
wie möglich zu halten. Deshalb der sehr niedrige Basisstrom. Aus diesen
10 mA resultiert ein R7-Wert von 470 Ohm. Man erkennt dies leicht an der
Teilspannung
UR7 von 4.6 VDC und den 10 mA.
UQ8 beträgt mit 0.7 VDC zufällig etwa gleichviel
wie UR8, die identisch ist mit der
Basis-Emitter-Schwellenspannung von T.
Wenn die Spannung +Ub niedriger ist als die Überspannung von 6 VDC, ist
Q8 offen und die Schaltung mit T und TH ist inaktiv. Leider trifft das
nicht zu, wenn der LM393 (und wahrscheinlich auch einige andere
Komparatoren) die minimal zulässige Betriebsspannung unterschreitet.
Beim LM393 sind dies 2 VDC. Da arbeitet das IC nicht mehr richtig und Q8
ist eingeschaltet, was zur Folge hat, dass TH zündet, wenn nicht
entsprechende Massnahmen getroffen sind. Die Problemlösung liegt im
R7/R8-Spannungsteiler. Ein Basisstrom von T fliesst nicht, weil die
Basis-Emitter-Schwellenspannung eindeutig unterschritten wird, wie die
Tabelle zeigt. Der Strom der nur noch durch R8 und R7 in den Kollektor
von Q8 fliesst, beträgt noch 3 mA und das gibt über R8, bzw. zwischen
Basis und Emitter von T8 noch 0.45 VDC. Will man diese Spannung lieber
noch etwas reduzieren, muss man R8 reduzieren oder R7 erhöhen, das dann
aber im aktiven Zustand den Basisstrom von T reduziert.
Bild 7 illustriert das Einschaltverhalten im Diagramm (Teilbild 7.1).
Arbeitet der Komparator korrekt, wie beim TLC3702, steigen Uo und +Ub
gemeinsam mit der selben Spannung an. Dem ist aber nicht so beim LM393.
Wie wir bereits wissen, erzeugt der Ausgang Uo von Q8 einen LOW-Pegel.
Siehe auch Teilbild 7.2. Zwischen etwa der minimalen Betriebsspannung
von 2 VDC und knapp vor der Überspannung von 6 VDC bleibt Q8 offen, und
so steigen Uo und +Ub in diesem Bereich mit der selben Spannung an.
Knapp oberhalb der Überspannung von 6 VDC schaltet der Komparator Q8 ein
und Uo geht auf LOW mit einer Spannung von etwa 0.7 VDC bei dem
angegebenen Strom von etwa 10 mA. Fast gleichgleichzeitig (td > 1 µs)
schaltet TH +Ub mit GND kurz und +Ub wird bei weiterem konstanten
Stromfluss von TH zumindest bis auf die TH-Durchflussspannung reduziert.
Brennt an Stelle einer schützenden Foldback-Strombegrenzung eine
Schmelzsicherung durch, geht +Ub zurück auf 0 VDC. Dadurch öffnet sich
TH bis zu einem neuen Start nach Ausstausch der Sicherung und
Wiedereinschaltung des Netzteiles.
Zum Schluss noch einmal die vollständige Schaltung für den Einsatz mit
TLC3702 (LinCMOS) und LM393 (pipolar):