Relaisbetrieb an 230 VAC


Wichtige Einleitung

Gleich zum Voraus ein paar Definitionen, wie ich sie hier bei Spannungsangaben vewende: VAC oder VACeff bedeutet effektive Wechselspannung, VDC oder VDCeff rippelfreie Gleichspannung oder der Effektivwert einer pulsierenden Gleichspannung. Vp bedeutet die Scheitel- bzw. Spitzenwertspannung einer pulsierender Gleichspannung oder einer Wechselspannung. Vpp ist die Spannung zwischen Maximum und Minimum einer Wechsel- oder Rippelspannung die einer Gleichspannung überlagert ist, wie man dies z.B. von der Spannung an einem Lade-Elko in einer Gleichrichterschaltung kennt. Unter pulsierender Gleichspannung ist hier eine halb- oder vollwellengleichgerichtete Sinusspannung zu verstehen. Anstelle von Gleichspannung liest man hier meist DC-Spannung und von Wechselspannung AC-Spannung. Das Analoge gilt für den Strom, wobei bei den Relaisstromwerten immer nur mA steht. Es gilt stets der Effektivstrom bei AC- oder pulsierender DC-Spannung. Mit Effektivwert ist stets TrueRMS (TRMS) zu verstehen.

Die TRMS-Spannung einer Sinus-AC-Spannung zu messen, ist mit einem herkömmlichen Lowcost-Multimeter durchaus möglich, weil solche Instrumente dafür geeicht sind. Für nichtsinusförmige AC-Spannungen sind die Messwerte falsch und dies erst recht für pulsierende DC-Spannungen, wovon hier oft die Rede ist. Es gibt Multimeter welche TRMS-Spannungen auch von nichtsinusförmigen AC-Spannungen messen können, aber das bedeutet noch lange nicht, dass dies auch für pulsierende DC-Spannungen gilt. Es gibt allerdings Multimeter, welche fähig sind TRMS-AC- und TRMS-DC-Spannungen zu messen. Man findet solche z.B. bei Farnell. Allerding muss man dafür einige hundert Euro hinblätten. Hat man ein Digital-Oszilloskop mit zusätzlichen numerischen Messwertanzeigen auf dem Display zur Verfügung, kann man in der Regel auch TRMS-AC- und TRMS-DC-Spannungen messen.

Es stellt sich die Frage, ob dem Hobbyelektroniker, der sich keine teuren Messinstrumente leisten kann oder will, dieser Elektronik-Minikurs etwas nützt. Eindeutig ja! Es wird erklärt, wie man die Relaisschaltung, auch ohne DC-TRMS-Messmöglichkeit, mittels empirischer Methode optimieren kann und ganz ohne diese Methode, mit der grösst möglichen Praxisnähe, geht es sowieso nicht, wie wir noch sehen werden.

Um die Experimente durchzuführen, die hier gezeigt werden, benötigt man einen Variac. Falls dieser Begriff nicht bekannt ist, alternative Begriffe wären Regeltrafo und Stelltrafo.

Die meisten preisgünstigen Variacs sind Spartrafos, d.h. es gibt nur eine Primär- und keine Sekundärwicklung. Man bezeichnet solche Trafos auch Autotrafo. Die Primärwicklung ist auch die Sekundärwicklung. Deshalb gibt es keine galvanische Trennung! Man benötigt zum Experimentieren auf jedenfall auch einen Trenntrafo, der zwischen der 230-VAC-Netzspanung und dem Variac geschaltet wird. Man kann auf einen Trenntrafo verzichten, wenn der Variac selbst als Trenntrafo ausgeführt ist, also eine Primär- und eine Sekundärwicklung enthält. Solche Variacs sind allerdings sehr teuer. Es empfiehlt sich daher besser ein Trenntrafo und ein preiswerter Variac als Autotrafo zu kaufen. Das ist auch flexibler, weil man für viele Testanwendungen gar keinen Variac benötigt und es auch Testanwendungen gibt, die berührungssicher sind und ein als Autotrafo ausgeführter Variac alleine genügt. Dies gilt allerdings nicht für die Experimente die hier gezeigt werden! Hier benötigt man einen Trenntrafo und einen Variac, wie die Bild 1 schematisch illustriert:

ACHTUNG: Netzspannung!!!   Lebensgefahr!!!   Nichts für Anfänger!!!

Die Schaltungen in diesem Elektronik-Minikurs arbeiten mit 230-VAC-Netzspannung. Es ist höchste Vorsicht geboten! Alle Manipulationen mit diesen Schaltungen müssen stets mit einem TRENNTRANSFORMATOR durchgeführt werden! Die Schaltung muss berührungssicher nach SEV-, bzw. VDE-Norm, realisiert und in ein Gehäuse eingebaut werden!

Der Nachbau solcher Schaltungen sind für Anfänger oder Bastler ohne notwendiges Wissen im Umgang mit der 115/230-VAC-Netzspannung ungeeignet!!! Nachbau, Tests, Manipulationen und Einsatz erfolgen stets auf eigenes Risiko!!!



Gestern - Heute - Morgen

So der Titel eines berühmten Dreiteilers der Star-Trek-Serie The Next Generation mit Captain Jean Luc Picard und dem zynischen Gott Q als Hauptakteure. Hervorragend gespielt und der Inhalt faszinierend für diejenigen die sich für solches interessieren, wobei man deswegen noch lange kein Trecki sein muss. Faszinierend, der oft ausgesprochene Ausdruck des Vulkaniers Mister Spock, ist die Technik nicht erst im 23. oder 24. Jahrhundert, im Zeitalter des WARP-Antriebes. Faszinierend war die Elektrotechnik (Elektronik) schon immer, sie ist es heute und sie wird es (hoffentlich) auch noch morgen sein. (Der soeben angedeutete Link führt zu einer Astronomieseite u.a. von Harald Lesch.)

Warum dieses Vorwort zu einem Elektronik-Minikurs, der sich mit Relaistechnik befasst? Ganz einfach, das Relais war schon in der frühesten Epoche der Elektrotechnik im praktischen Einsatz. Dieser elektromagnetische Schalter wurde ständig weiter entwickelt. Das kleine moderne Print-Relais im Dual-Inline-Format, wie das farbige Bild illustriert, verbraucht eine Leistung von 0.75 VA (AC-Relais), aber es gibt auch solche mit bloss 0.2 W (DC-Relais). Solche Relais beider Leistungsklassen schalten Ströme bis zu 10 A und Leistungen von mehr als 1000 VA. Trotz als wie ausgefeilter Technik moderner Halbleiterschalter, wird sich das Relais auch in (naher) Zukunft seinen Platz sichern. In diesem Elektronik-Minikurs geht es um den Einsatz von Relaisschaltungen im 230-VAC- und im 115-AC-Netzbetrieb (USA), wobei eine Methode mit einem DC-Relais (Relais mit Gleichstromspule) und eine andere mit einem AC-Relais (Relais mit Wechselstromspule) erklärt wird. Es gibt Elektronik-Minikurse mit praktischen Anwendungen (1) (2) (3), die sich auf die Grundlagen dieses Elektronik-Minikurses stützen.

Überigens, wer noch immer den Eindruck hat, ich habe diesen Elektronik-Minikurs mit einer Märchenstunde begonnen, dem möchte ich das Buch "Die Physik des Star-Trek" von Lawrence M. Krauss empfehlen. Das Vorwort stammt vom prominentesten Star-Trek-Fan überhaupt: Stephen Hawking, der auch einen Gastauftritt in einer TV-Episode von Strar-Trek: The Next Generation hatte...



Gestern

Die 1950er- und 1960er-Jahre standen betreffs Elektronik noch ganz im Zeichen der Röhrentechnik. Während die Vakuum-Elektronenröhre fast ganz für die Analogtechnik da war, gab es auch Kaltkathoden-Röhren für die Steuerungstechnik. Mein Geschichte-Elektronik-Minikurs Kaltkathoden-Röhren I thematisiert an praktischen Schaltungen ein wenig diese historische Epoche. Der Unterschied zwischen diesen beiden Röhrentechnologien besteht darin, dass in der Vakuum-Elektronenröhre Elektronen, von einem Gitter spannungsgesteuert, von der Glühkathode zur Anode strömen und dies den variablen Anodenstrom erzeugt, während in der Kaltkathoden-Röhre ein Ionenstrom von der Anode zur Kathode fliesst, der mittels Steuerelektrode oder Gitter (Thyratron) gezündet und durch kurzzeitiges Unterbrechen des Ionenstromes abgeschaltet wird. Kaltkathoden-Röhren wurden in diesen zwei Jahrzehnten für die vielseitigsten Relaissteuerungen eingesetzt und dies oft direkt an der 220-VAC-Netzspannung. Damals betrug die Netzspannung noch nicht 230 VAC. Für diese hohe Spannung kamen Relais mit Spulen für DC- und AC-Strom zum Einsatz.

Zu diesem Thema ein Ausschnitt aus der damaligen Hauszeitschrift Januar/1959 von der Firma CERBERUS, die damals neben den Feuermeldern, Kaltkathoden-Relaisröhren, Kaltkathoden-Thyratrons und Kaltkathoden-Stabilisatorröhren herstellte. Der folgende nostalgische Inhalt beschreibt etwas, das auch im weiteren Teil dieses Elektronik-Minikurses seine Bedeutung haben wird. Es geht um die gleichgerichtete Halbwellensteuerung von Relais:

Soviel, inklusive Bild 2, aus der CERBERUS-Hauszeitschrift. Bild 2 zeigt eine nostalgische Lichtsteuerung in Hellschaltung, durch das Zünden der Kaltkathoden-Röhre bei Beleuchtung des Fotowiderstandes FW. Unterhalb einer kritischen Beleuchtungsstärke des Fotowiderstandes zündet die Steuerelektrode nicht mehr. Die Ionenstrom zwischen Anode und Kathode erlischt während des Spannungsnulldurchganges und zündet bei der folgenden positiven Halbwelle nicht mehr, bis es wieder hell genug ist. Die Kurzschlusswicklung ist mit einem dicken senkrechten Strich bei der Relaisspule neben dem Kontakt symbolisch angedeutet. Sie ist nicht etwa eine zusätzliche Wicklung mit vielen Windungen auf dem selben Spulenkörper. Sie besteht aus einem dicken Kupferring, der in einen sogenannten Spaltpol in den Weicheisenkern eingepresst ist, und so für den genügend hohen Kurzschlussstrom sorgt, damit auch im Spannungsnulldurchgang noch genügend magnetische Kraft auf den Anker wirkt und dieser deshalb angezogen bleibt. Deshalb befindet sich dieser Spaltpol mit der Kurzschlusswindung auf der Ankerseite. Dieser Trick verhindert das Fibrieren des Ankers und der Kontakte bei AC-Strom oder pulsierendem DC-Strom.

Wichtiger Hinweis: Ältere Leser solcher Artikel, die selbst diese Elektronik-Epoche erlebt haben, wünschen sich oft Informationen von damals. Ich habe leider nichts zum Verteilen und das Wenige das ich habe zu kopieren und zu versenden ist zu aufwändig. Es bringt auch nichts bei CERBERUS anzufragen. Die Leute dort haben keine Ahnung mehr und verstehen nicht was man eigentlich haben möchte. Es liegen zuviele Generationen der Elektrotechnik dazwischen. Ich hab dies selbst versucht...



Heute und morgen...

Das DC-Relais im Einsatz

Anstelle einer gleichrichtenden Kaltkathoden-Röhre haben wir es hier mit gleichrichtenden Halbleiterdioden zu tun. Es kommt in dem Sinne auf das selbe heraus, dass das Relais eine mit Halbwellen gleichgerichtete DC-Spannung erhält. Wir befassen uns zunächst mit einem leistungsarmen DC-Relais mit einer möglichst hohen Spulen-DC-Nennspannung, die relativ häufig auf dem Markt (unterschiedliche Hersteller und Produkte) erhältlich ist. Dadurch sorgt man vor, dass bei einer direkten Anwendung mit 230 VAC möglichst wenig Verlustleistung entsteht. Danach experimentieren wir mit einem AC-Relais mit einer Spulen-AC-Nennspannung von 230 VAC und stellen fest, dass auch dieses Relais mit einer mit Halbwellen gleichgerichten DC-Spannung sehr gut arbeiten kann, wenn geeignte Massnahmen ohne grossen Aufwand getroffen werden.

Wir befassen uns mit Bild 3 zuerst mit der Dimensionierung einer Schaltung mit einem DC-Relais, in der, wie im nostalgischen Cerberus-Artikel beschrieben, auch das Empirische seinen berechtigten, ja sogar notwendigen Stellenwert hat:

Die Spannungsangaben in der Schaltung in Bild 3, aber auch bei allen weiteren Schaltungen in den folgenden Bildern, beziehen sich, wenn nicht anders vermerkt, stets auf den Referenzpegel, der mit REF bezeichnet ist. REF ist identisch mit dem sogenannten Null-Leiter des 230-VAC- oder einer andern Netzspannung, wie z.B. 115 VAC.

In Bild 3 kommt ein kleines Dual-Inline-DC-Relais mit einer Nennspannung von 48 VDC zum Einsatz, das mit 0.2W Spulenleistung auskommt. Es benötigt also einen DC-Strom von nur 4 mA. Vor D1 liegt die volle AC-Spannung von 230 VAC. Die genau gleich grosse Effektivwert-DC-Spannung hätte eine Vollweggleichrichtung aus dieser AC-Spannung zur Folge. Der niedrige Spannungsabfall am Brückengleichrichter ignorieren wir hier. Bei der Einweggleichrichtung, wie ihn Bild 3 mit D1 zeigt, fallen die Hälfte aller positiven Sinushalbwellen weg und das reduziert die effektive DC-Spannung auf einen Wert, der sich aus der effektiven DC-Spannung der Vollweggleichrichtung dividiert durch die Quadratwurzel von 2 ergibt. Die effektive DC-Spannung der einweggleichgerichteten Spannung aus 230 VACeff beträgt daher 163 VDCeff. Der genaue Zusammenhang dieser Spannung illustriert Bild 4.

Über der Relaisspule sollte eine effektive DC-Spannung von 48 VDC abfallen. Da wir zwecks Betriebsanzeige gleich eine hochempfindliche Lowcurrent-LED in Serie zur Relaisspule schalten, erhöht sich über Spule und LED die Spannung auf etwa 50 VDC. Rx berechnet sich nach dem einfachen ohmschen Gesetz, in dem man die Restspannung von 113 VDC durch den Strom von 4 mA dividiert. Rx berechnet sich au einen Wert von 28.3 k-Ohm.

Nun aber STOP! So einfach geht es nur dann, hätten wir es mit einer reinen DC-Spannung zu tun. Das ist aber längst nicht der Fall. Das Relais erhält wegen der Halbwellengleichrichtung einen pulsierenden DC-Strom und dieser erzeugt in der Spule eine nicht zu vernachlässigende Selbstinduktionsspannung dann, wenn die Halbwellenspannung nach dem Scheitelwert wieder kleiner wird. Wir haben es mit der Relaisspule und seinem Weicheisenkern nicht einfach mit einem ohmschen Widerstand zu tun. Es ist eine Impedanz und die ist höher als sein ohmscher Widerstand. Und das heisst, das beim vorgesehenen Relaistyp die Restspannung nicht 113 VDC sondern nur 107 VDC beträgt, weil der effektive DC-Strom niederiger ist als diese 4 mA. Und dazu kommt, dass der Relaisanker im Rythmus von 50 Hz massiv flattert.

Und jetzt wird's, wie bereits weiter oben angedeutet, empirisch! Man schaltet parallel zu LED und REL einen Kondensator, dessen Kapazität so gross gewählt wird, dass die diese Halbwellen-Sinusspannung über Relaisspule und LED auf eine Rippelspannspannung teilgeglättet wird, so dass diese einen Betrag hat von etwa der Nenn-Spulenspannung des Relais von etwa 48 Vpp, wie dies in Bild 3 das Diagramm "mit Cx = 1µF" zeigt. Diese teilgeglättete Rippelspannung erreicht den unteren Wert von 0 V an der Relaisspule nicht, was auch richtig ist. Die untere Rippelspannung sollte noch geringfügig höher sein, als die Abfallspannung des Ankers, damit das Relais sicher nicht zum Flattern neigt. Die Spannung zwischen Maximum und Null an Relaispule und LED und somit an Cx liegt bei etwa 60 Vp. Man sollte für Cx eine Nennspannung von 100 V vorsehen. Als Elektrolytkondensator ist Cx, mit Werten wie angegeben, mechanisch sehr klein. Mit dem angegebenen Relaistyp von FINDER erreicht man die eben erwähnte Spulenspannung bei ziemlich genau mit Cx = 1 µF, sofern man den vorher errechneten Wert für Rx empirisch von 28 k-Ohm auf 20k-Ohm reduziert.

Wie gross ist die Verlustleistung über Rx? Durch den Einsatz von Cx reduziert sich die Impedanz, gegeben durch Relaisspule mit angezogenem Anker und Cx soweit, dass sich die Restspannung über Rx von 113 VDCeff auf etwa 130 VDCeff erhöht. Während der effektive Strom durch die Relaisspule zwar gerade 4 mA ausmacht, liegt der Strom durch Rx bei 6.5 mA. Der Glättungsstrom durch Cx steuert seinen Anteil dazu bei. Die Verlustleistung über Rx berechnet sich also aus diesen 130 VDCeff und den 6.5 mA. Die Verlustleistung beträgt 0.85 W. Da 1/2-Watt-Widerstände zur leicht erhältlichen Billigware gehören, empfehle ich für Rx zwei Widerstände von je 10 k-Ohm und 0.5 Watt in Serie zu schalten.

WICHTIG: Der Strom durch die Relaisspule ist zur Spulenspannung phasenverschoben (induktiv). Das selbe gilt für den Strom durch Cx in Relation zur Spannung über Cx (kapazitiv). Der Strom durch den rein ohmschen Widerstand Rx ist zur Spannung über Rx nicht phasenverschoben.

Weshalb diese empirische Schaltunsgsentwicklung? Ganz einfach, weil es mit den Informationen des Datenblatt eines Relaisherstellers absolut unmöglich ist, das Impedanzverhalten irgend eines Relais zu berechnen. Komplex ist das Ganze in dem Sinne, dass die Impedanz nicht konstant ist. Sie hat unterschiedliche Werte, je nachdem ob der Relaisanker offen, im Augenblick des Anziehen oder Abfallens oder geschlossen ist. Es bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als die Schaltung zunächst so zu berechnen, als ob man sie mit einer reinen DC-Spannung einsetzt. Eine Art grobe Annäherung. Danach erfasst man empirisch wie gross die Kapazität von Cx und Rx sein soll mit einem Versuchsaufbau. Aufwändig ist diese Methode in diesem Anwendungsfall keineswegs. Mit einem andern DC-Relais mit abweichenden Daten werden die Werte von Cx und Rx ebenfalls abweichen. Wenn auch nicht gerade billig, eignen sich für solche Versuche sogenannte Widerstands- und Kapazitäts-Dekaden. Trotzdem ist dies eine einmalige Anschaffung die sich für den Elektronik-Praktiker auf jedenfall lohnt!

Es stellt sich noch die Frage, wozu es einen Variac (siehe Bild 2) braucht? Damit muss man festellen, bei welcher Unterspannung das Relais sicher anzieht. Für eine Netzspannunng von 230 VAC sollte diese Minimalspannung bei etwa 180 VAC liegen. Es darf problemlos auch weniger sein. Im Kapitel "Das AC-Relais im Einsatz" liegt die minimale Anzugsspannung bei weniger als der halben Nennspannung. Wenn dadurch, das Relais bei Nennspannung auch die Nennleistung aufweist, ist das völlig in Ordnung.

Der hier empfohlene MOSFET T zur Ansteuerung des Relais REL ist ein sogenannter SIPMOS von Siemens, ein N-Kanal-Typ mit einer offenen Open-Drain-Source-Spannung von 600 V, einem maximalen Drainstrom von 0.1 A und einem Drain-Source-Widerstand, im eingeschalteten Zustand, von 45 Ohm. Für mehr Informationen konsultiere man per Internetsuchmaschine das Datenblatt. Weiter unten in Bild 8 wird eine alternative Methode mit einer Kaskadierung von zwei preiswerten Hochvolt-NPN-Transistoren vorgestellt.

Bild 4 illustriert die Spannungsverhältnisse zwischen der AC-Sinusspannung, der vollweg- und einweggleichgerichteten Sinusspannung unter der Berücksichtigung der effektiven Spannung Urms (TrueRMS = TRMS) und der Spitzenspannung Up. Die obere Skizze zeigt die Vollweg- und die untere Skizze die Einweggleichrichtung. Die Verluste durch den Brückengleichrichter BG und der einzelnen Gleichrichterdiode D vernachlässigen wir. Das ist hier auch durchaus realistisch, weil die Sinusspannungswerte um einen Faktor von mehr als 100 grösser sind als die die Duchflussspannung von zwei in Serie geschalteten gleichzeitig leitenden Dioden im Falle von BG.

Wie gross ist die effektive DC-Spannung, wenn man eine effektive AC-Spannung vollweggleichrichtet? Sie ist genau gleich gross, weil pro Periode ebenso zwei Sinushalbwellen mit der selben Spitzenspannung und der gleichen Frequenz eine Last speisen. Eine Glühlampe leuchtet genau so hell, ob sie an 230 VACeff oder an 230 VDCeff angeschlossen wird. Damit zeigt sich auch, dass die Leistung unverändert bleibt. Das kann auch gar nicht anders sein, denn wo soll denn eine Leistungsdifferenz zu finden sein...

Betrachten wir die Situation der Einweggleichrichtung, die nur Halbwellen erzeugt. Weil jede zweite Sinushalbwelle ausbleibt, gibt es pro Periode anstatt zwei nur eine halbe Sinusspannungsfläche und das bedeutet, dass sich die Leistung halbiert. Würde man mit einer invers geschalteten zweiten Diode die negativen Sinushalbwellen von der AC-Spannung auch noch gleichrichten, würde die volle AC-Leistung in zwei Sinushalbwellen gleichgerichtet, die eine positiv und die andere negativ. Da eine Sinushalbwelle pro Periode nur die halbe Leistung erzeugt, bedeutet das, dass die effektive DC-Spannung der einweggleichgerichteten Spannung nur einen Wert hat, die sich aus der Quadratwurzel von 2 multipliziert mit der Effektivwertspannung der Vollweg-DC-Spannung oder der AC-Spannung errechnet, wie dies in Bild 4 Gleichung 2 zeigt. Weil das Verhältnis von Spitzenspannung (325 Vp) zum Effektivwert der AC-Spannung (230 VACeff) oder Vollweg-DC-Spannung (230 VDCeff) sqrt(2) beträgt und zwischen der effektiven Vollweg-DC-Spannung (230 VCDeff) oder der effektiven AC-Spannung (230 VACeff) und der effektiven Einweg-DC-Spannung (163 VDCeff) ebenfalls sqrt(2) beträgt, ist diese effektive Spannung der Einweg-DC-Spannung genau halb so gross wie die Spitzenspannung (325 Vp). Falls diese Formulierung zu sehr verwirrt, orientiere man sich eher nach Bild 4... ;-)


Das AC-Relais im Einsatz

Bild 5 zeigt ein ganz bestimmtes 230-VAC-Relais der Firma Schrack. Die genauen Daten entnehme man in Bild 6. Die Schaltungen und Messwerte (Bilder 5 bis 8) beziehen sich also auf dieses Relais. Bei andern 230-VAC-Relais weichen die Stromwerte auf Grund des abweichenden ohmschen Widerstandes der Spule, dessen Induktivität und des Kurzschlusstromes der Kurzschlusswindung im Kupferring im Spaltpol ab, aber die Grundlage, worum es hier geht, bleibt die selbe. Am wenigsten Änderungen gibt es mit einem andern Relais, wenn die VA-Leistungs- und Widerstandsdaten ähnlich sind.

Es geht also darum, einen einfachen praktischen Weg zu zeigen, wie man eine solche AC-Relaisschaltung mit einer mit Halbwellen gleichgerichteten DC-Spannung dimensionieren und betreiben kann. Wir beginnen mit Teilbild 5.1, das uns zeigt, wieviel Strom das Relais bei normalem Betrieb an 230 VAC aufnimmt. Es sind 3.3 mA. Wir müssen stets auch wissen bei welcher minimalen Spannung das Relais anzieht (nicht abfällt!). Man fährt die Netzpannung mit dem Variac soweit hinunter, bis das Relais sicher abfällt. Danach erhöht man die Netzspannung und man notiert sie wenn das Relais sicher anzieht. Beim hier verwendeten Relais liegt diese Spannung bei 105 VAC. Den Test führte ich nur mit einem Relais durch, weil ich kein weiteres hatte, und das bedeutet, es gibt noch gewisse Exemplarstreuungen. Allerdings ist diese vernachlässigbar, wenn die Toleranzen so gross sind, wie diese Messung zeigt und völlig normal ist.

Wir kommen zu Teilbild 5.2 mit dem Test mit sauberer DC-Spannung, also DC-Spannung (fast) ohne Rippelspannung. Da stellt man fest, dass sich bereits bei 110 VDC der korrekte Strom von 3.3 mA einstellt. Genau darauf kommt es an, weil der Effektivstrom durch die Spule, multipliziert mit der Windungszahl, macht die effektive magnetische Feldstärke, bzw. die Anzugskraft auf den Relaisanker, aus. Dies bedeutet, dass wir bei allen weiteren Experimenten den Stromeffektivwert durch die Relaisspule messen. True-RMS-Ströme oder -Spannungen zu messen ist aber nicht einfach, ausser man hat ein dazu geeignetes Messinstrument. Allerdings ist das unkritisch für die Messung in Teilbild 5.1 mit Sinus-AC-Spannung und 5.2 mit reiner DC-Spannung. Das Experiment zeigt, dass bereits bei einer Spannung von 45 VDC das Relais anzieht. Würde man das Relais bei 230 VDC betreiben wäre es eindeutig überlastet. Woher kommt das? Ganz einfach, strombegrenzend wirkt alleine der ohmsche Widerstand der Relaisspule. Selbstinduktion gibt es hier nicht.

Wie erzeugt man eine variable saubere DC-Spannung für dieses Experiment, wenn man kein geeignetes Netzgerät mit so hoher variabler DC-Spannung zur Verfügung hat? Man benützt die Brückengleichrichterschaltung aus Teilbild 5.3 und schaltet parallel zur Relaisspule einen Elko mit genügend hoher Kapazität (und genügend hoher Nennspannung!), dass sich praktisch eine saubere DC-Spannung einstellt. Eine Rippelspannung von einigen Volt - auch mehr als 10 Vpp - spielt dabei keine Rolle. Eine Kapazität von etwa 10 µF ist richtig und eine Nennspannung von 200 VDC reichen aus. Fehlt in der Bastelkiste ein solcher Elko, kann man sich leicht durch Serieschaltung von mehreren Elkos mit niedrigeren Maximalspannungen aushelfen, wobei alle Elkos die gleichen, entsprechend der Anzahl von Elko, höhere Kapazitätswerte haben müssen. Gemessen wird die DC-Spannung an der Relaisspule.

Teilbild 5.3 zeigt im Prinzip das selbe Experiment noch einmal, aber diesmal erhält die Relaisspule die vollweggleichgerichtete DC-Spannung ohne Glättung mittels Elko und wir messen dabei die AC-Spannung am Eingang des Brückengleichrichters. Interessant dabei ist, dass sich bei 110 VAC der selbe Nennstrom von etwa 3.3 mA einstellt, wie bei der geglätteten DC-Spannung von 110 VDC. Der effektive Wert einer vollweggleichgerichteten DC-Spannung ist natürlich genau so gross wie der effektive Wert der AC-Spannung vor dem Vollweggleichrichter, wenn man von der Verlustspannung der Gleichrichterdioden absieht. Dies ist bei dieser hohen Spannung realistisch zulässig. Dass sich der Nennstrom von 3.3 mA bei der gelätteten und ungeglätteten DC-Spannung einstellt, wird damit zu tun haben, dass bei der ungeglätteten DC-Spannung weitgehend die Kurzschlusswindung im Spaltpol die Glättungswirkung übernimmt. Bei der reinen DC-Spannung hat die Kurzschlusswindung keine Wirkung. Bei der minimalen Anzugsspannung weichen die Werte ab, weil diese in Teilbild 5.3 mit 75 VAC höher ist als die 45 VDC in Teilbild 5.2.

Teilbild 5.4 zeigt das Experiment mit einer Einweggleichrichtung. Dabei ist interessant, dass bei einer effektiven AC-Spannung von 230 VAC sich fast der selbe Nennstrom einstellt wie bei der AC-Anwendung in Teilbild 5.1. Interessant, weil anstelle von zwei Halbwellen pro Periode nur eine Halbwelle wirkt. Die Erklärung dafür ist, dass der induktive Anteil bei einer pulsierenden Einweggleichspannung wesentlich niedriger ist als bei der AC-Spannung, bei der die Polarität bei jedem Amplitudennulldurchgang wechselt. Die Impedanz ist niedriger und der Strom dafür höher. Ebenfalls ist die minimale Anzugsspannung von Teilbild 5.4 im Vergleich zu Teilbild 5.1 in beiden Experimenten praktisch gleich gross.

Facit: Es ist nicht zwingend, dass man für die empirische Untersuchung jeweils exakt den effektiven True-RMS-Strom misst. Es genügt auch eine Annäherung mittels handelsüblichem Multimeter, weil so genau muss der Messwert gar nicht sein. Die Schaltung ist dann funktionstauglich, wenn das Verhältnis zwischen minimaler Anzugsspannung und Spulennennspannung im vernünftigen Rahmen liegt, wie dies die Schaltungen in Bild 5 zeigen.

Mit Bild 6 fokussieren wir noch einmal Teilbild 5.4 das in Teilbild 6.1 wiedergegeben und in Teilbild 6.2 etwas in Richtung Anwendung perfektioniert ist. Wenn die Relaisspule abgeschaltet wird, z.B. mit einem bipolaren Transistor oder, wie hier gezeigt, mit einem MOSFET, entsteht durch den raschen Abbau des Magnetfeldes der Spule eine hohe Selbstinduktionsspannung in Form eines Impulses, die einen elektronischen Schalter leicht zerstören könnte. Weil dieses Relais allerdings eine Kurzschlusswindung besitzt, die natürlich gerade diese Induktionsspannung zu einem gewissen Teil in einen Induktionstrom umsetzt, hält sich die rstliche Induktionsspannung möglicherweise in Grenzen. Um sicher zu sein, lohnt es sich aber trotzdem die Freilaufdiode D2 einzusetzen. Da D2 zusätzlich einen Induktionsstrom beim Abschaltvorgang ermöglicht, erhöht sich ein bisschen der Stromeffektivwert der Spule. Es ist allerdings so wenig, dass D2 keinen nennenswerten zusätzlichen Effekt auf die Dämpfung des Ankerflatterns bei niedriger Betriebsspannung hat. Man kann dies testen, wenn man mit der Betriebsspannung in den Bereich hinunterfährt, wo der Anker abfällt, also etwa bei 100 VAC.

Noch etwas ist neu in Teilbild 6.2! In Serie zur Relaisspule ist eine LED angeordnet. Diese leuchtet wenn das Relais eingeschaltet ist, wie in Bild 3. Auch hier gilt, bei einem Strom von nur 3.3 mA ist es nötig eine sogenannte Lowcurrent-LED einzusetzen, damit sie hell genug leuchtet. Die LED ist im Stromkreis mit der Freilaufdiode D2 miteinbezogen. Der sehr geringe Selbstinduktionsstrom trägt nur ganz wenig dazu bei, dass die LED etwas weniger flackert. Das Flackern bemerkt man aber sowieso nur, wenn man die LED seitlich betrachtet, denn 50 Hz sind noch nicht so kritisch. Bei einer Vollweggleichrichtung "blinkt" die LED mit 100 Hz (nicht mit 50 Hz) und dies bemerkt man überhaupt nicht.

Noch ein paar Worte zur MOSFET-Anwendung: Da jeder FET spannungsgesteuert und sein Eingangswiderstand extrem hochohmig ist, benötigt es logischerweise keinen Widerstand vor dem Gate. Darum ist auch kein solcher Widerstand gezeichnet. Trotzdem empfiehlt sich ein Widerstand, wenn man ganz sicher sein will, dass beim Umschaltvorgang keine Oszillation auftreten kann. Die hochfrequente Oszillation kann als Folge von parasitär wirkenden Kapazitäten und (Leiterbahn-)Induktivitäten auftreten. Ein solcher Vorwiderstand hat meist einen Wert von wenigen zehn oder etwa 100 Ohm direkt auf das Gate folgend. Bei sehr schnellen Schaltanwendungen werden anstelle von Widerständen manchmal auch kleine Drosseln mit sehr niedrigen Induktivitäten eingesetzt.

Teilbild 7.1 wiederholt noch einmal Teilbild 6.2. Wenn wir Teilbild 7.2 mit Teilbild 7.1 vergleichen, erkennen wir zwei Unterschiede: Die Betriebsspannung ist mit 115 VAC (Netzspannung in den USA) nur halb so gross, die Freilaufdiode ist ersetzt durch einen Kondensator mit einer Kapazität von 470 nF mit einer Nennspannung von 250 VDC. Obwohl die maximal auftretende Spannung nur 163 Vp sein kann, sollte man bei der Wahl von Kondensatoren generell grosszügig sein und die Nennspannung nicht zu knapp wählen. Das Relais ist der selbe Typ mit einer Nennspannung von 230 VAC, und trotzdem betreiben wir es mit einer Spannung von nur 115 VAC, die einweggleichgerichtet ist. Dies funktioniert, weil Kondensator C eine zur Kurzschlusswindung zusätzliche wirksame Glättungsfunktion übernimmt. Man ermittelt die Kapazität am besten auch hier empirisch. Es ist dabei nicht wichtig ob der Nennstrom von 3.3 mA so genau eingehalten wird. Hauptsache ist, dass die minimale Anzugsspannung des Relais vernünftig niedriger ist als die Spannung bei Nennstrom. Bei der hier verwendeten Schaltung beträgt die minimale Spannung 75 VAC.

Nun zur Frage, wozu der zusätzliche Seriewiderstand R in Teilbild 7.2 nötig ist. Wenn im Augenblick des Einschaltens die Netzspannung gerade einen hohen postiven Wert hat, ist sehr kurzfristig der Drainstrom des MOSFET T sehr hoch und könnte ihn gefährden. Widerstand R, mit einem Wert von 470 Ohm, begrenzt diesen Spitzenstrom auf maximal 350 mA, wenn die postive Sinushalbwelle gerade den Scheitelwert von 163 VDCp aufweist, wobei die RC-Zeitkonstante bloss 0.22 ms beträgt. Das Safe-Operating-Diagramm des BSS/BSP125 (siehe Datenblatt) erlaubt bei einer Impulsdauer von 0.27ms bis zur maximalen Drain-Source-Spannung von 600 V ein Strom von 470 mA. Das bedeutet, man ist mit R = 470 Ohm noch immer längst im grünen Bereich. Beim Nennstrom des Relais von 3.3 mA beträgt die Spannung über R bloss 1.5 VDC. Dieser niedrige Spannungsabfall ist nicht der Rede wert.

Bild 8 zeigt zwei Schaltungen mit dem selben 230-VAC-Relais von SCHRACK. Beiden Schaltungen ist gemein, dass sie anstelle eines MOSFET zwei NPN-Transistoren in einer Kaskadenschaltung verwenden. Es ist recht schwierig bipolare Transistoren für niedrige maximale Kollektorströme im kleinen TO92-Gehäuse zu finden, wenn die offene Kollektor-Emitter-Spannung mehr als 300 VDC betragen muss, was bei einer Netzspannung von 230 VAC der Fall ist. Da eignet sich ganz besonders die Kaskadenschaltung mit zwei Transistoren. Für so wenig Kollektorstrom, wie es bei der vorliegenden Relaisschaltung bedarf, eignet sich sehr gut der MPSA42 der weit verbreitet ist. Er hat eine maximale offene Kollektor-Emitter-Spannung von 300 V und erlaubt einen maximalen Kollektorstrom von 200 mA. Während der sehr kurzen Dauer von 0.22 ms sind selbstverständlich auch beim MPSA42 350 mA oder auch mehr zulässig (Teilbild 8.2), obwohl es im Datenblatt von Fairchild kein Safe-Operating-Diagramm gibt. Man kann aber ohne Nachteile R auf 1 k-Ohm erhöhen, wodurch sich Spitzenstrom halbiert. Der Spannungsverlust beträgt dann 3.3 VDC. Auch dieser Wert ist unproblematisch. Allerdings verdoppelt sich dadurch die R4*C-Zeitkonstante. Will man bezüglich Überspannung noch sicherer fahren, es gibt auch noch den MPSA44 mit einer offenen Kollektor-Emitter-Spannung von 400 V. Während es den MPSA42 bei Distrelec und Farnell gibt, gibt es den MPSA44 nur bei FARNELL (Februar 2010).

In Teilbild 8.1 wollen wir untersuchen wie die Transistorkaskade arbeitet. Die Spannungsaufteilung erfolgt durch den Spannungsteiler aus R1, R2 und R3, dessen Spannungshalbwert am Knoten R2/R3 an der Basis von T2 liegt. Dadurch liegt die T2-Emitter- und die T1-Kollektorspannung ebenfalls auf der halben Maximalpannung von 325 Vp bei 163 Vp, sieht man von der Basis-Emitter-Schwellenspannung von T2 ab. Die beiden offenen Kollektor-Emitter-Spannungen teilen sich den Wert von 325 Vp. Wenn die Transistorkaskade, mittels HIGH-Pegel an Ue, eingeschaltet und das Relais angezogen ist, liegt die T2-Basis praktisch auf 0 Vp, bezogen auf REF. Tatsächlich liegt diese Spannung auf weniger als 1 Vp. Diese setzt sich zusammen aus der Basis-Emitter-Schwellenspannung von T2 und der gesättigten Kollektor-Emitter-Spannung von T1. Damit liegt die volle halbwellengleichgerichtete Netzspannung von 325 Vp über R1 und R2. Es werden zwei in Serie geschaltete Widerstände verwendet, damit sich die hohe Spannung auf zwei Widerstände etwa gleichmässig verteilt. Sinn ist der, dass man kleine 1/4-Watt-Widerstände einsetzen kann, denn nur für einen Widerstand ist eine Spannung von 325 Vp zu hoch. Man bedenke, allfällige Überspannungen sind noch höher, die man am Eingang der Schaltung mittels geeigneter Zinkoxyd-Varistoren allerdings begrenzen kann. Die Verlustleistung ist sehr niedrig, sie beträgt für R1 oder R2 weniger als 50 mW. Im eingeschalteten Zustand ist T2 ebenfalls im gesättigten Zustand, was bedeutet, dass die T2-Kollektorspannung gegen REF nur wenige 100 mV beträgt.

Die Schaltung von Teilbild 8.2 ist etwas Spezielles. Man sieht's schon daran, dass zwei Betriebsspannungen angegeben sind, wobei 230 VAC in Klammer gesetzt ist. Das kommt davon, dass es im Elektronik-Minikurs (3) eine Anwendung gibt, bei der das Relais eingeschaltet ist, wenn die Netzspannung 115 VAC beträgt und ausgeschaltet ist, wenn diese 230 VAC beträgt. Dort ist der selbe MOSFET BSS125 oder BSP125 im Einsatz, wie in diesem Elektronik-Minikurs. Es besteht aber die Möglichkeit auch dort als Alternative die selbe Transistorkaskade mit zwei MPSA42 einzusetzen wie hier in Teilbild 8.2. Die Kaskadenschaltung ist auch hier nötig, weil die Transistoren bei der höheren Spannung von 230 VAC offen sind. Wenn die Schaltung nur bei 115 VAC betrieben wird, ist die Kaskade nicht nötig. Dann entfallen R1, R2, R3 und T2. Der Kollektor von T1 wird dann direkt mit R4 verbunden.

Für beide Schaltungen gilt: R5 richtet sich nach der HIGH-Pegel-Eingangsspannung und dem T1-Basisstrom von etwa 0.2 mA. Kann die LOW-Pegelspannung von weniger als 0.5 V nicht garantiert werden, muss mit einem zusätzlichen Widerstand R6 zwischen T1-Basis und REF, ein Spannungsteiler aus R5 und R6 erzeugt werden. Der Querstrom durch diese beiden Widerstände sollte dann etwa drei Mal so hoch sein, wie der T1-Basisstrom, - also etwa 0.6 mA. C1 ist an dieser Stelle bloss angedeutet. Wozu es C1 in Verbindung mit R1 und noch einen weiteren Widerstand an der Basis von T1 benötigt, erfährt man im folgenden Kapitel "Überspannung trotz Transistorkaskade".


Überspannung trotz Transistorkaskade

Ja das ist durchaus möglich, wie ich in einer Diskussion im ELKO-Forum mal gelesen habe. Es wurde darauf hingewiesen, dass einzelne Transistoren in einer Kaskade leicht unterschiedlich schnell reagieren und deshalb bei hoher Flankensteilheit der eingangsseitigen Schaltspannung, kurzzeitig eine zu hohe Spannung erreichen. Dies habe ich mit einer kleinen Versuchsschaltung geprüft. Ich benutzte für dieses Experiment die selben Hochvolttransistoren des Typs MPSA42, jedoch nur eine Betriebsspannung von 24 VDC. Es zeigte sich bei einer Spannungsvariation zwischen 10 VDC und 30 VDC, dass sich an den Signalverhältnissen nichts Signifikantes ändert. Den Effekt den ich zeigen will, ist der selbe. Wir kommen damit zu Bild 9:

Teilbild 9.1 zeigt die Testschaltung. An +Ub wird die Betriebsspannung von +24 VDC angeschlossen. R3 ist so gewählt, dass der Strom durch R3 mit etwa 3.5 mA gleich gross ist, wie beim Relais in Bild 8. Entsprechend sind R4 und R5 auf das Spannungsverhältnis für den etwa selben Strom angepasst. An Ue liegt das zeitsymmetrische Rechtecksignal eines Taktgenerators mit einer Ausgangsspannung von 5 Vp oder es darf auch eine typische TTL-Spannung sein. Die Frequenz liegt im unteren kHz-Bereich.

Das erste Experiment mit Teilbild 9.2 zeigt das Diagramm ohne den Einsatz von C1. Die volle Flankensteilheit der Rechteckspannung an Ue erreicht über R1 und R2 die Basis von T1. Kurz vor der ansteigenden Flanke der Spannung Ue sind die beiden Kollektor-Emitterspannungen Uce1 und Uce2 gleich gross. Uce1 und Uce2 liegen je auf der halben Betriebsspannung +Ub/2. Mit der ansteigenden Flanke von Ue fallen gemeinsam gleich schnell die Flanken von Ue1 und Ue2. Dies bedeutet, dass während diesem dynamischen Vorgang die Bedingung Uce1 = Uce2 ständig erfüllt bleibt. Ganz anders ist die Situation bei der fallenden Flanke von Ue. Da zeigt sich in dieser Zweierkaskade, dass T1 schneller ausschaltet als T2. Die Spannung Uce1 (Ua1) steigt schneller als Uce2 (Ua2) und dies hat zur Folge, dass für eine kurze Zeit von etwa 0.1 ms Uce1 deutlich grösser ist als Uce2. Erst im eingschwungenen Zustand gilt erneut Uce1 = Uce2.

Zu den Diagrammen sei noch erwähnt, die Skizzen sind idealisiert dargestellt, zwecks einfacherer Beschriftung. Es ist auch nicht massstäblich korrekt. Auch die Einschaltflanken sind nich so steil, wie es hier den Eindruck macht. Es geht hier nur darum zu zeigen wie die Überspannung von T1 im Moment des Ausschaltens zustande kommt.

Das zweite Experiment mit Teilbild 9.3 zeigt das Diagramm mit dem Einsatz von C1. Die Tiefpassfilterung mit R1 und C1 reduziert die Flankensteilheit der Spannung zwischen Basis und GND von T1 unterhalb der Basis-Emitter-Schwellenspannung, bei der T1 zu leiten beginnt. Vom Moment des Basisstromes und dessen Zunahme, bleibt die Basis-Emitter-Spannung weitgehend konstant. Von da zeigt sich eine reduzierte Flankensteilheit des Basisstromes, der dafür sorgt, dass T1 betreffs seiner Geschwindigkeit nicht überfordert wird. Die Zeikonstante für die T1-Basisstromänderung ergibt sich aus dem Wert des Parallelwiderstandes von R1 und R2 mit C1. Die langsamere Änderung des T1-Kollektorstromes unterfordert ebenso T2, weil dieser sich, angepasst an T1, ebenso langsamer verhält. Ein gleichzeitiges gemeinsames An- und Absteigen von Ua1 (Uce1) und Ua2 (Uce2) stelt sich ein, wenn die Zeitkonstante R1*C1 etwa 1 ms beträgt. Da diese Schaltung zum Ein- und Ausschalten eines elektromechanischen Bauteils, ein Relais, zur Anwendung kommt, darf diese Zeikonstante problemlos auch zehn mal grösser sein. Also C1 = 1 µF (Elko verwenden), wenn R1 und R2 10 k-Ohm betragen. Das Relais, welches hier zum Einsatz kommt, benötigt ein Strom von 3.3 mA. Bei einer T1-Stromverstärkung von etwa 30 im geschalteten beinah gesättigten Betrieb, ergibt dies ein T1-Basisstrom von 0.1 mA. Wenn Ue = 5 VDC, fliesst ein T1-Basisstrom von 0.2 mA. Im Falle einer vorbelasteten TTL-Spannung an Ue = 3.5 VDC sind es 0.14 mA. Auch das ist noch immer mehr als genug. Bei der Verwendung eines anderes Relaistypes mit mehr Strom, muss man R1 und R2 entsprechend anpassen und damit natürlich auch C1.

Wie gross darf die Kollektorspannung von T1 oder T2 bei einem Strom von 4 mA eigentlich sein. Man konsultiere dazu das MPSA42-Datenblatt und betrachte die Diagramme in "Operating range Ic = f(Vce)". Man stellt fest, dass die Dauer-Kollektorspannung etwa 120 VDC betragen darf. Die Flankenanstiegs- und -abfallzeit beträgt etwa 0.3 ms (Teilbild 9.3). Welche Spannung Uce1 bzw. Uce2 ist T1 bzw. T2 beim gleichen Strom von 4 mA bei nur 0.3 ms zumutbar? Wie das Diagramm zeigt, ist während dieser kurzen Zeitdauer die maximale Uce0-Spannung von 300 VDC zulässig. Man darf also C1 ohne weiteres auf 1 µF erhöhen, weil auch 3 ms noch immer die volle Spannung von 300 VDC gestattet. Obwohl, diese Spannung tritt pro Transistor zwischen Kollektor und Emitter gar nie auf! Je höher der Kollektrom ist, im Falle eines andern Relais, um so kurzzeitiger darf dieser grössere Strom fliessen, weil sich sonst der Siliziumchip des MPSA42 zu sehr aufheizt und zerstört wird.

Das Diagramm "Operating range Ic = f(Vce)" im MPSA42-Datenblatt zeigt die Abhängigkeit des zulässigen maximalen Kollektorstromes von der Dauer dieses Stromes und von der Kollektor-Emitterspannung. In diesem Elektronik-Minikurs (5) wird im Kapitel "Belastung von T1, Kriterien und der Zweite Durchbruch" etwas näher darauf eingegangen. Um diesen Inhalt zu verstehen, muss man sich das Datenblatt des Transistors MJ2955 herunterladen. In der Einleitung dazu hat es einen vorbereiteten GOOGLE-Link.

Da der einzelne der beiden Transistoren nur die halbe maximale Betriebsspannung der 230-VAC-Netzspannung beim Schalten kurzzeitig erreicht, interessiert uns, wie hoch darf denn der Kollektor-Stromimpuls sein. Die Spitzenspannung beträgt 325 Vp, die Hälfte davon ist 163 Vp. Wir blicken erneut auf das Diagramm und stellen fest, dass der Kollektorstrom 20 mA betragen darf, wenn die Flankenzeit beim Ein- oder Ausschalten ganze 100 ms beträgt. 100 ms sind aber zuviel für ein Relais, weil das Schliessen und Öffnen des Kontaktes zu langsam erfolgt, was die Abnützung der Kontakte beschleunigt. Das Diagramm zeigt aber noch etwas anderes. Wenn man den Kollektorstrom von 20 mA auf 40 mA erhöht, reduziert sich die zulässige maximale Stromdauer von 100 ms auf nur noch 1 ms. Das bedeutet, dass man sich hier in einer kritischen Zone befindet. Es lohnt sich also auf jedenfall ein Relais mit niedrigem Stromverbrauch einzusetzen. Das ist mit der heutigen modernen Relais-Technologie auch längst kein Problem mehr. Das angegebene DIL-Reais (DIL = Dual-In-Line) von SCHRACK (Bild 6) schaltet bei 250 VAC bis zu 8 A und die Spule verbraucht nur 0.75 W oder 3.3 mA bei 230 VAC. Hier ein Foto des verwendeten Relais:


Überspannung ohne Folgen

Diagramm 10.1 zeigt die 230-VAC-Sinusspannung am Eingang der Betriebsspannung, bezogen auf die Referenzspannung REF. Diagramm 10.2 zeigt die halbwellen gleichgerichtete DC-Spannung am Ausgang der Diode D1. Ue liegt an einer Spannung, die dafür sorgt, dass das Relais eingschaltet ist. Mit 5 VDC ist dies sicher der Fall. Der Widerstand R4 existiert momentan noch nicht. Was beobachtet man mit einem Oszilloskopen, wenn man die Spannung zwischen der Basis von T2 und REF misst? Das zeigt das Diagramm 10.3. Die genau selbe negative Überpannung misst man direkt zwischen Basis und Emitter von T2. Im Augenblick des Unterschreitens der Sinusspannung von 0 V (REF) von Diagramm 10.1 zeigt sich eine negative Spannung von etwa -7 V beim Diagramm 10.3, die durch die Limitterwirkung der Basis-Emitter-Diode im Sperrbereich zustande kommt. In Wirklichkeit ist diese negative Spannung wesentlich höher. Der Strom, der durch die Basis-Emitter-Diode in ungekehrter Richtung fliesst, ist aber derart niedrig, dass T2 unmöglich geschädigt werden kann. Diese negative Spannung kommt durch das relativ hochohmige R1-R2-R3-Netzwerk zustande. Dieser Widerstand ist fuer das artentsprechende Verhalten einer Gleichrichterdiode, die für einen Strom bis zu 1 A eingesetzt werden kann, wenig geeignet, - falls es auf diese Unschönheit ankommen würde. Die Erholungszeit (Recovery-Time) ist wegen der hochohmigen Last ganz einfach viel zu lang. Schaltet man R4 parallel zur Basis-Emitter-Diode von T2 mit einem Wert von 4.7 k-Ohm, reduziert sich die negative Spannung auf weniger als -1 V, wie dies das Diagramm 10.4 zeigt. Das belegt der niedrige Strom, der die Basis-Emitter-Diode in umgekehrter Richtung durchfliesst, wenn R4 nicht existiert. Es sind weniger als 0.2 mA. 4.7 k-Ohm für R4 ist ein mittlerer Wert einer einsetzbaren Bandbreite zwischen 2 k-Ohm und 10 k-Ohm. Mit 4.7 k-Ohm funktioniert die Schaltung sicher an 230 VAC und an 115 VAC.

Nebenbei erwähnt, es gibt eine sehr praktische Anwendung für den Einsatz einer Basis-Emitter-Diode, betrieben im Sperrbereich. Das ist ein Rauschgenerator, wie dies Teilbild 10.6 andeutungsweise illustriert. Je nach NPN-Transistortyp resuliert an UNOISE eine effektive Rauschspannung zwischen etwa 1 mV und 10 mV.
TUN = Transistor-Universal-NPN (Elektor-Definition)



Linkliste

Diese Linkliste enthält drei Anwendungen bei denen mit Hochvolt-Transistoren Relais am 230-VAC-Netz, mit ebenfalls sehr niedriger Leistungsaufnahme, gesteuert werden. Link 1 enthält die Methode der Transistorkaskade mit zwei MPSA42, wie es hier beschrieben ist. Diese Methode eignet sich vor allem dann, wenn nur eine sehr niedrige Steuerspannung zur Verfügung steht. Dann muss ein bipolarer Transistor mittels Basisstrom gesteuert werden. In Link 2 und 3 kommen kleine Hochvolt-MOSFETs zum Einsatz, weil die Steuerschaltung genug Spannung zur Erzeugung der Gate-Spannung liefert. Eine Kaskadenbildung ist nicht notwendig. Link 4 erweitert den eingangsseitig erwähnten historischen Teil zur Schaltungstechnik mit Kaltkathoden-Röhren und Link 5 erklärt in einem Kapitel den sicheren Arbeitsbereich von bipolaren Transistoren. Auch ein Thema das hier relevant ist.