Im Fokus: Der Piezo-Effekt
Einleitung
Im Fokus ist eine neue Elektronik-Minikurs-Idee. Es geht darum ein Thema in den Raum zu stellen, das von allgemeinem Fachinteresse ist. Dieses Thema wird so weit wie nötig erklärt. Oft bietet Wikipedia eine hervorragende einführende Erklärung, wenn es grundlegend mit Physik zu tun hat. Danach werden Elektronik-Grundlagen- und Elektronik-Minikurse vorgestellt, wo das Thema in praktischer Form präsentiert wird. Diesmal geht es um das Thema "Der Piezo-Effekt".
Was ist der Piezo-Effekt und wozu dient er?
Vorzüglich beschrieben ist der Piezo-Effekt im Wikipedia, unterteilt in Geschichte, Prinzip, Grundlagen, piezoelektrische Kristalle, piezoelektrische Keramiken und andere Materialien, Berechnungsgrundlagen, Sensorik (z.B. Tonabnehmer), Aktorik (z.B. Piezosummer) und noch vieles mehr...
Piezo-Effekt-Anwendungen im ELKO
Unter Themen/Computertechnik werden zwei unterschiedliche physkalische Prinzipien bei Tintenstrahldruckern vorgestellt. Das eine Prinzip beruht auf der Grundlage der Piezo-Technik. Eine ganz andere Anwendung mit einem Piezo-Soundgeber ist der Melodie-Spieler von Arne Rossius.
Der Piezo-Effekt thematisiert in den Elektronik-Minikursen
Es gibt zwei Elektronik-Minikurse in denen der Piezo-Effekt thematisiert ist.
Im Elektronik-Minikurs
Vom Fensterkomparator zum Präzisions-Schmitt-Trigger
ist der Piezo-Effekt sehr nützlich. Es geht dabei um einen mechanisch
erzeugten Hochspannungsimpuls zum einfachen Prüfen eines bestimmten
Störverhalten in einer elektronischen Schaltung. Mehr dazu liest man im
Kapitel "Trivialer Störtest mit Ministörsender".
Im Elektronik-Minikurs
Operationsverstärker I
taucht der Begriff Piezo in den zwei Kapiteln
"GND oder Referenzspannung, ja nach Art der Schaltung" und
"Was ist der Piezo-Effekt?" auf. Im ersten Kapitel geht es um ein
sehr praktisches Problem. Hochempfindliche Verstärkerschaltungen, z.B.
für Mikrofone, dürfen in den spannungs-sensiblen Signalpfaden keine
keramischen Kondensatoren (Kerkos) enthalten, weil diese mit ihrer
Piezo-Eigenschaft sehr leicht als unerwünschte Schallempfänger wirken.
Ein leichtes Anstossen an einem solchen Gerät kann bereits dazu führen,
dass sich dies am Lautsprecher deutlich bemerkbar macht. Es geht dabei
um die Körperschall-Übertragung vom Gehäuse zum Kerko. Das gilt
natürlich ebenso für andere Anwendungen, wie das Messen von
hochempfindlichen
EMG-Signalen.
Hier sind erst recht solche Störungen unerwünscht. Diese verfälschen
signifikant die Auswertungen der gemessenen EMG-Signale.
Bild 1 zeigt einige Beispiele bei denen der Kondensator kein Kerko sein
darf. Gekennzeichnet ist dies mit nk
(nicht Keramik) bei den Kondensatoren.
Teilbild 1.1 zeigt einen nichtinvertierenden Verstärker mit einer
Verstärkung von 46 (33 dB), gegeben durch R1 und R2. Es könnte z.B. ein
Mikrofon-Vorverstärker sein. Mit ±Ub (Dualsupply) ist die Speisung
symmetrisch. Die Schaltung ist unvollständig, z.B. fehlen die
Abblock-Kondensatoren bei den Speiseeingängen des Opamp. R3 setzt den
nichtinvertierenden Eingang auf GND (Arbeitspunktspannung -
Referenzspannung) und bildet einen Eingangswiderstand von 100 k-Ohm.
Eine Audiospannung (Mikrofon) ohne DC-Offsetspannung könnte man direkt
an den nichtinvertierenden Eingang schalten. Im andern Fall muss der
RC-Hochpass (15 Hz) aus R3 und C1 die DC-Offsetspannung entkoppeln. Dass
R1 und R2 die äquivalente DC-Offsetspannung des Opamp-Einganges,
unabhängig von der Massnahme mit C1, verstärkt, ist klar. Dies spielt
hier aber keine Rolle. Fokusiert ist C1, der kein Kerko sein darf, weil
eine durch C1 erzeugte kleine Piezo-Spannung sich mit der ebenso
niedrigen Audiospannung summiert. Die passende Alternative ist ein
kleiner
Wickelkondensator.
Ein Elko taugt nicht, weil über C1 keine DC-Vorspannung anliegt. Warum
man diejenige DC-Offsetspannung, welche durch den Opamp selbst erzeugt
wird, als äquivalent bezeichnet, liest man in
Operationsverstärker I
im Kapitel "GND oder Referenzspannung, ja nach Art der Schaltung".
Teilbild 1.2 ist grundsätzlich die selbe Schaltung wie Teilbild 1.1,
jedoch nur mit einer positiven Betriebspannung +Ub (Singlesupply)
ausgestattet. Da hier GND nicht als Signalreferenz dienen kann, erzeugen
R4 und R5 dafür die halbe Betriebsspannung. R4 und R5 bilden einen
Eingangswiderstand von ebenfalls etwa 100 k-Ohm. Damit die Audioquelle
GND-Bezug hat, benötigt man C1 zur DC-Entkopplung. C1 und der
Parallelwiderstandswert von R4 und R5 bilden einen einfachen
RC-Hochpass, mit einer Grenzfrequenz von 15 Hz. In dieser Grössenordnung
geeignet für viele Audioanwendungen. R3 dient nur dafür, dass C1 sich im
geladenen Zustand befindet. So knallt es nicht aus dem Lautsprecher am
Ausgang einer Leistungsendstufe, wenn eine DC-freie Audioquelle an Ue
angeschlossen wird im eingeschalteten Zustand des Verstärkers. C2
benötigt es zur DC-Entkopplung, weil die
virtuelle Spannung
am invertierenden Eingang +Ub/2 betragen muss. C2 und R2 wirken dabei
als Hochpass mit einer Grenzfrequenz von 7.3 Hz. Dies sorgt zusätzlich
dafür, dass die äquivalente DC-Offsetspannung des Opamp-Einganges nur
mit 1 verstärkt wird. C1 und C2 dürfen keine Kerko sein, weil in beiden
Signalpfaden ist die Piezo-Sensibilität durch die hohe Verstärkung
entsprechend hoch. Es eignen sich vorzugsweise kleine
Tantalelkos,
da eine DC-Vorspannung (+Ub/2) anliegt.
Teilbild 1.3 ist grundsätzlich gleich aufgebaut wie Teilbild 1.2. Der
einzige Unterschied besteht darin, dass Ue den invertierenden Eingang
steuert. Die Schaltung verstärkt invertierend. C1 und C2 sollten aus dem
selben Grund keine Kerko sein. Ebenso aus dem selben Grund dürfen C1 und
C2 vorzugsweise Tantalelkos sein. Der Eingangswidertstand liegt bei rund
20 k-Ohm, gegeben durch den Parallel-Widerstandswert von R2 und R3. Das
ist etwas schwerverständlich für jemanden der das Wesen der vituellen
Spannung noch nicht ganz verstanden hat. In diesem Fall empfehle ich den
Elektronik-Minikurs
Operationsverstärker III
zu studieren.
Teilbild 1.4 zeigt das Prinzipschaltbild eines
Instrumentationsverstärkers
(I)
(II)
(III)
(IV).
R1 und C1 bilden einen Hochpass, um nur AC-Spannungen zu verstärken.
Solches benötigt man z.B.für die symmetrische Messung von
elektrophysiologischen Spannungen wie z.B. EEG, EKG oder
EMG.
C1 entkoppelt Anteile von DC-Spannungen. Solche treten im vorliegenden
Beispiel beim Phasenübergang zwischen Metall-Elektrode und Elektrolyt
(Muskelgewebe) auf. C1 ladet sich auf diesen DC-Spannungswert auf. C1
darf kein Kerko sein, weil an dieser Position die (fast) gleich hohe
Verstärkung wirkt wie an Ue1 und Ue2. Ein (Tantal-)Elko ist nicht
möglich, weil DC-Spannungen mit beiden Polaritäten auftreten können. Es
bleibt nur ein Wickelkondensator oder ein ganz spezieller Alu-Elko, der
30% der Nennspannung in umgekehrter Richtung zulässt. Alles Weitere zu
diesem Thema erfährt man hier:
Teilbild 1.5 geht der Frage nach, ob unter Berücksichtigung der Piezo-Spannung, die Speisung von Verstärkerschaltungen mit Kerkos abgeblockt werden dürfen. Eindeutig ja! Man sollte dies auch tun, damit die Schaltung nicht durch steile Schalttransienten beeinflusst wird. Keine Kerkos einzusetzen gilt nur dort, wo sehr hohe Verstärkungen im Spiel sind. Also dann, wenn Spannungen im mv-Bereich und sogar weniger verstärkt werden müssen. Ein guter Verstärker und so auch jeder Opamp hat eine hohe Dämpfung (frequenzabhängig) von Störspannungen auf der Speiseleitung. Diese Eigenschaft heisst Power-Supply-Rejection-Ratio. Die Elkos am Speiseeingang der ganzen Schaltung unterstützen die dämpfende Wirkung zusätzlich. Bei mechanischem Einfluss auf die Piezo-Eigenschaften von Kerkos werden nicht so hohe Frequenzen erzeugt. Es dominiert die kapazitive und nicht die parasitär induktive Eigenschaft eines Elko. Darum kann ein solcher Elko zusätzlich zur gesamten Stördämpfung wesentlich beitragen.
Ein kleines akustisches Piezo-Experiment
Teilbild 2.1 zeigt das Prinzipschaltbild eines Mikrofonverstärkers
(Vorverstärker und Leistungsverstärker) mit einem Lautstärkeregler
VOLUME. Dasselbe zeigt Teilbild 2.2 mit dem Unterschied, dass kein
Mikrofon, dafür ein Kondensator angeschlossen ist. Es soll ein Kerko
sein. Wenn man mit dem harten Zündholz-Kopf leicht auf den Kerko
schlägt, hört man aus dem Lautsprecher ein feines kurzes Klingen. Lässt
man die Anschlussdrähte des Kerko lang und man schlägt etwas fester auf
den Kerko, dann hört man nach dem kurzen Klingen ein aperiodisches
mechanisches Schwingen der Drähte, das sich auf den Kerko zurück
überträgt.
Das punktierte offene Rechteck um den Kerko mit seinen Anschlussdrähten,
deutet auf eine einfache Abschirmung hin, um Brummstörungen zu
vermeiden. Dazu kann man irgend ein kleines Metallgehäuse verwenden. Es
eignet sich aber ebenso eine kleine Kartonschachtel, die man mit
Alufolie auskleidet und diese elektrisch mit dem Signal-GND verbindet.
Man könnte anstelle des Zündholzes auch einen kleinen schmalen Stab aus
hartem Kunststoff benutzen. Das ist allerdings problematisch, weil
Kunststoffe stets etwas elektrostatisch geladen sind. Bewegt man einen
Kunststoffstab schnell im Bereich des Kerko hin und her, kann die
spontane E-Feld-Änderung den Vorverstärker kurzzeitig in den
Spannungslimit steuern und so das Experiment stören oder sogar
verunmöglichen.